Doppelt gebloggt hält besser (German Edition)
Heinevetter. Der weiß aber, dass die Grete samstags ihre Ruhe will und schielt nur ab und an zu ihr rüber. Grete übersieht das stets geflissentlich. Später, sagt sie immer, wenn er denn doch mal versucht ein Gespräch anzufangen, später habe ich Zeit für einen Plausch. Jetzt nicht.
Viel Neues stand nicht in der Zeitung, aber eine Sache beschäftigte die Grete dann doch derart, dass sie während ihrer Putzorgie, die in der Regel zwei Stunden dauert (Routine!), ständig murmelte und dabei den Kopf schüttelte. Sie murmelte kopfschüttelnd im Bad, dann im Schlafzimmer, in der Küche, im Wohnzimmer und zuletzt auf dem Balkon.
Nach dem Putzen, wenn alles blitzt und blinkt gönnt die Grete sich in der Regel ein Schaumbad, wäscht und föhnt sich die Haare, schminkt sich ein wenig und wirft sich in Jeans und T-Shirt. Wochenende, denkt sie dann, wie schön, und freut sich an ihrer aufgeräumten Wohnung.
Heute wollte ihr das Föhnen kaum gelingen, da sie immer wieder den Kopf schütteln musste. Vollkommen abgelenkt zog sie sogar ihr T-Shirt verkehrt herum an. Der blitzeblanken Wohnung gönnte sie keinen Blick.
Sie setzte sich an den Küchentisch und schlug die Zeitung von heute Morgen auf. Da stand es schwarz auf weiß. Wieder schüttelte das Fräulein Grete Meier den Kopf. Ihr Blick wanderte zum Kalender. Sie musste sich einfach überzeugen, dass es Anfang August ist und nicht der 1. April.
Also ehrlich, wozu manche Leute Zeit haben. Da will doch ein Anwalt aus Kenia, Italien und Israel verklagen. Weil die angeblich Mitschuld haben, dass Jesus gekreuzigt wurde. Und Tote will er noch auf die Anklagebank bringen. Den Pontius Pilatus und den König Herodes. Sogar einen römischen Kaiser will er zur Rechenschaft ziehen. Da ist von Amtsmissbrauch die Rede und von Menschenrechtsverletzungen. Das Fräulein Grete Meier kann es nicht fassen. Dass sowas möglich ist, wo doch gar keiner so richtig weiß, ob das alles so stimmt mit dem Jesus. Man glaubt es halt, aber so richtig echte Beweise gibt es eben nicht. Und ohne Beweise gilt, was immer gilt. Im Zweifel für den Angeklagten.
Da war die Grete nun murmelnd und kopfschüttelnd an einem Punkt angekommen, der ihre Gedanken justament in eine andere Richtung lenkte. Auch Jesus war ja angeklagt gewesen und man hatte damals auch keine so richtigen Beweise gehabt. Jetzt wurde es für die Grete anstrengend. Das muss doch zu sortieren sein. Kein Beweis für die Existenz von Jesus, kein Beweis für seine Unschuld, kein Beweis für die heutigen Angeklagten. Also kein Beweis für irgendwelche Beweise. Alles sinnfrei sozusagen.
Befreit lachte die Grete, schlug die Zeitung zu, nahm sich einen Eistee und das Kreuzworträtsel aus der gestrigen Zeitung (sie schneidet das immer feinsäuberlich aus) und verzog sich auf den Balkon. Bevor Herr Heinevetter sich wortreich über die heutigen Temperaturen ausließ, dachte die Grete noch an das Lieschen und man höre und staune an den Herrmann. Ob der wohl die Saxonette wieder repariert hat? Na, das Lieschen wird es mir sicherlich heute Abend am Telefon erzählen.
Gruß vonner Grete
Lieschen hat fast keine Rituale
Lieschen hat ja, ganz anders als ihre Freundin Fräulein Grete, gar keine Rituale. Naja, fast keine, so gut wie keine, naja, ein einziges Ritual, das hat sie.
Das Rauchen. Das ist natürlich auch bei unserer Liese komplett durchritualisiert. Wenn sie rauchen möchte, und sie betont das "möchte", obwohl sie selbstverständlich weiß, dass das schon sehr lange keine freiwillige Sache mehr ist. Wenn sie also rauchen möchte, dann geht sie als erstes auf die Terrasse. Setzt sich auf ihre Bank, greift nach dem Tabakpäckchen, entnimmt ihm das Briefchen mit den Blättchen, pustet eins heraus, fischt nach dem Tabak und dreht sich in aller Ruhe eine Zigarette. Wenn sie dann raucht, dann raucht sie. Sie tut nichts anderes. Naja. Fast nichts anderes. Sie betrachtet den Rasen, die Pflanzen, die Bienchen und Blüten, aber vor allem raucht sie. Sie will dann keine Störung. Nicht mal von ihren eigenen Gedanken.
Das weiß auch der Hermann. Wenn die Liese auf ihrer Bank auf der Terrasse sitzt und raucht, dann macht er einen großen Bogen um sie. Er will sie ja nicht stören. Nicht weil er sie nicht stören will, sondern weil er nicht will, dass sie zischt und mit der Hand wedelt als sei er eine Fliege, die vor Lieschens Gesicht fliegt und damit aufhören soll. Hermann will keine Fliege sein. Verständlich.
So raucht unser Lieschen immer.
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