Doppelte Schuld
vorgestellt.
»Sind Sie sicher, daß der Name Ihrer Mutter richtig geschrieben ist?«
»Ganz sicher.«
Der Mann, der sich Frank Beyer nannte, räusperte sich und blätterte in seinen Unterlagen. »Und Sie haben in den üblichen Quellen keine Spur von ihr gefunden? Auch nicht im Sterberegister?«
Natürlich hatte er daran gedacht, daß sie auch tot sein könnte, sie war ja nicht mehr die Jüngste, dafür allerdings eine zähe Ostpreußin.
»Suchen Sie einfach weiter.« Daß es keine Spur von ihr zu geben schien, stachelte Moritz’ Ehrgeiz an. Dem Mann von der Detektei Hermes schien es ähnlich zu gehen.
»Wenn wir eine Belohnung aussetzen könnten, für sachdienliche Hinweise – das Internet, weltweite Suche …«
Moritz hatte eingewilligt und sich zugleich gefragt, ob er das Ergebnis wirklich würde wissen wollen.
Der Mann hatte seine Unterlagen zusammengesammelt und den Aktenkoffer zuschnappen lassen. Und dann – was zum Teufel hatte Moritz nur geritten?
»Wo Sie gerade dabei sind …« Er hatte so getan, als ob ihm die Eingebung eben erst gekommen wäre. »Es gibt da noch etwas. Der Mann heißt Ivo Cavic und ist seit dem Frühjahr 1993 verschwunden.«
»Wissen Sie, wo er zuletzt gesehen wurde?« Der Mann von der Detektei Hermes hatte den Koffer wieder geöffnet.
»In Glogovac. In Bosnien-Herzegowina.«
Der Detektiv nickte, schrieb etwas in sein Notizbuch, gab Moritz feierlich die Hand, versicherte ihm, wie sehr er am Schicksal der beiden gesuchten Menschen interessiert sei, ging dann endlich und ward nicht mehr gesehen. Nur als Leiche.
Moritz trat ein paar Schritte zurück und musterte das Bücherregal, bevor er es ein paar Zentimeter nach rechts rückte. Dann schob er einige der herausgefallenen CDs wieder in ihre Hüllen und legte zwei Bücher, die sich unter dem Sofa gefunden hatten, auf die beiden Bücherstapel neben der Tür. Einräumen mußte Katalina selbst, dabei konnte man nur Fehler machen.
Aber den größten Fehler hatte er bereits gemacht. Wenn sie jemals erfuhr, daß er hinter ihrem Rücken nach ihrem Vater hatte suchen lassen – nicht auszudenken. Sie war stolz und sie fürchtete Verrat.
Insofern war der Tod des Detektivs wahrscheinlich ein Glücksfall, auch wenn das kein wirklich mitfühlender Gedanke war.
Moritz blickte sich um. Das Haus sah wieder halbwegs manierlich aus. Sollte er ein paar Blumen hinstellen? Einkaufen? Laß es lieber, dachte er. Sie wird das als aufdringlich empfinden.
Er griff nach dem Müllsack mit Susis Kadaver und ging hinaus. Der Himmel war noch immer grau, der Wind noch immer kühl. Er ärgerte sich über sich selbst, weil ihm die Worte »der Herbst des Lebens« durch den Kopf gingen und daraus nicht wieder verschwinden wollten.
3
Mary Nowak fühlte sich, als hätte sie eine dieser Bergwanderungen über Stock und Stein hinter sich, die Henry so geliebt hatte. Sie war in der Nacht kaum zur Ruhe gekommen, nicht nur des Unwetters wegen. In Gedanken war sie an einen Ort gereist, den sie nie wiedersehen wollte, in einen Raum der Vergangenheit, den sie am liebsten zusperren würde, um anschließend den Schlüssel wegzuwerfen. Irgendwann am frühen Morgen war sie endlich eingeschlafen.
An den Traum erinnerte sie sich nicht, als sie Stunden später schweißgebadet erwachte. Nur an ein Gefühl. Es war das Gefühl, im Leben alles falsch gemacht zu haben.
Nach der Morgenrunde mit dem Hund versuchte sie, sich mit einer langen, ruhigen Sequenz Taiji zu beruhigen. Aber es nutzte nichts. Der Gegner hatte seine Visitenkarte abgegeben und zwang sie zum Handeln.
Dann war es Mittag. Sie hatte sich fertiggemacht, um eine Kleinigkeit bei Ettore zu essen, als Carlo »Ich bin hier nur die Vertretung« anrief.
»Da sind zwei Herren, die Sie sprechen möchten. Alte Bekannte«, sagte er launig.
Die beiden warteten in der Lobby. Diesmal eröffnete Jens Sager das Feuer.
»Der Tote, Benjamin Dimitroff. Er war bis 1990 beim Ministerium für Staatssicherheit beschäftigt, zuletzt im Rang eines Oberfeldwebels.«
Mary lächelte unverbindlich.
»Laut Auskunft des BStU wurden auch Sie beim MfS geführt. Als Informelle Mitarbeiterin.« Jens Sager blickte auf. Er hielt seinen Bleistift ausnahmsweise einmal still und machte nicht den Eindruck, als ob er mit dieser Information viel anfangen konnte. Fast hätte sie gelacht.
»Wie kommen Sie denn darauf?« Mal sehen, wie lange sie die Rolle des harmlosen alten Weibleins durchhielt.
»Das BStU hat Informationen …«
»Sie wissen
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