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Doppelte Schuld

Titel: Doppelte Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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leise.
    Der Alte sah nicht auf. »Was gibt’s da schon zu erzählen? Alle haben es gemacht, es war ja nichts dabei.«
    »Na, wenn nichts dabei war …«
    »Meine damalige Firma hatte in den 80er Jahren ihren Schwerpunkt im Ost-West-Handel, alles völlig offiziell, nichts Illegales. Das ist alles.«
    »Also alles ganz legal?« Moritz sah den Alten von der Seite an. Er wand sich wie ein Wurm.
    »Alle taten es – erinnerst du dich an den Millionenkredit, den Franz Josef Strauß 1983 eingefädelt hat? Zur Entspannung der Beziehungen zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland?«
    »Ich erinnere mich«, sagte Moritz spöttisch. »Ein teures Geschäft für die Bundesrepublik und ungeahnte Möglichkeiten der Bereicherung für alle anderen.«
    »Wir haben das geglaubt, was alle glaubten. Daß die Verhältnisse unabänderlich und für die Ewigkeit sind. Wer hätte damals schon an ein Ende des Ostblocks gedacht?«
    Niemand. Wenigstens in diesem Punkt mußte Moritz ihm recht geben.
    »Und 1990 …« Gregor stockte. »Einer unserer alten Geschäftspartner bot uns an, sich mit einer ziemlich hohen Summe zu beteiligen. Das konnte man gar nicht ausschlagen. Und ohne das Geld hätte man mich nicht auszahlen können.«
    »Wie schön. Du beziehst deine Altersversorgung also quasi von der Stasi.«
    »Die Stasi? Ach weißt du …« Der Alte zuckte mit den Schultern.
    »Und dein alter Geschäftspartner ist demnach identisch mit unserem reizenden Herbergsvater hier«, sagte Moritz, dessen Sympathie für seinen Adoptivvater soeben nachhaltig Schaden genommen hatte.
    Gregor nickte. »Martin Axt. Er war schon vor ein paar Tagen bei mir und hat mir wieder eine Beteiligung angeboten.«
    »Aus denselben dubiosen Quellen?«
    Der Alte schwieg.
    Moritz gab keinen müden Pfifferling mehr auf die Behauptung ihres Entführers, man wolle unrecht Gut dem Staat zurückgeben. Im Gegenteil: Der Mann wollte es einer Konkurrentin abjagen. Meiner ebenso dubiosen Mutter, dachte er.
    »Und wofür?«
    »Sie wollen sich am Wiederaufbau des Schlosses beteiligen.« Der Graf, nicht eben groß von Statur, richtete sich auf, als ob er stolz auf dieses Angebot sei.
    »Das glaubst du doch wohl selber nicht.« Aber Moritz mußte zugeben, daß die Sache in einem Punkt logisch klang. Es war keine schlechte Idee, die Gelder, die die Stasi beim Zusammenbruch des Systems beiseite geschafft hatte, durch geschickte Investition sauberzuwaschen. Andererseits –
    »Schloß Blanckenburg ist ein Faß ohne Boden. Jeder kühl kalkulierende Geldgeber würde die Finger davon lassen.«
    Der Alte lächelte. »Sieh es doch so: Dann passiert wenigstens mal was Anständiges mit dem Geld.«
    »Und warum sollten die ein Interesse daran haben, auf ihre alten Tage anständig zu werden?«
    Gregor legte ein trotziges Gesicht auf, das normalerweise das Ende seiner Gesprächsbereitschaft signalisierte. »Sie haben das Geld ja auch noch nicht. Sie brauchen noch gewisse Informationen.«
    »Welche Informationen?«
    »Keine Ahnung.« Der Alte tat harmlos, aber er wandte den Blick ab.
    »Also raus damit! Was für eine Gegenleistung erwartet er von dir?«
    »Ich soll ihm Bescheid sagen, wenn ich etwas von Mathilde höre.« Gregor grinste. »Und da das ziemlich unwahrscheinlich ist nach all den Jahren, habe ich ja gesagt!« Dann erstarb sein Grinsen.
    Moritz sah es arbeiten im Gesicht seines Adoptivvaters, der mit seiner Mutter verlobt gewesen war, vor langer Zeit, als beide noch unschuldig waren. »Aber sie ist wieder da, Gregor«, sagte er.
    »Ja.« Der Graf schluckte. Dann lächelte er. »Ich habe sie gesehen. Im Krankenhaus. Sie war so wunderbar wie eh und je.«
    Meine wunderbare Mutter.
    Die ihre Rente, sofern der Glatzkopf nicht gelogen hat, einer ziemlich unfeinen Unterschlagung verdankte. Das Geld, das einst der SED und der Stasi gehörte, war dem Volk gestohlen und den Westpolitikern aus der Tasche gelockt worden. Aus denselben Quellen bezog auch Gregor sein Auskommen – und nun hatte er in der Hoffnung auf eine weitere Finanzspritze versprochen, die alte Liebe zu verraten. Die beiden Alten paßten charakterlich wirklich großartig zusammen.
    Moritz seufzte aus tiefstem Herzen. »Und?« fragte er.
    Der Alte sah auf. »Was – und?«
    »Wirst du Mathilde verraten für die vage Aussicht auf die Rettung eines baufälligen alten Kastens?« Moritz sah, wie der Alte zusammenzuckte. Gregor hatte schon immer ein eigensinniges Verhältnis zur Realität gehabt, um es höflich zu

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