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Doppelte Schuld

Titel: Doppelte Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Gregor war aufgestanden und lehnte sich über den Tisch. Er will doch wohl den Scheißkerl nicht umarmen, dachte Moritz, wollte sich erheben, um einzuschreiten, aber da hatte der Alte den anderen schon an seinem burgunderroten Schlips gepackt.
    »Machen Sie sich nicht unglücklich, lieber Graf«, flüsterte Axt. In der nächsten Sekunde waren seine Bodyguards zur Stelle. Der Fausthieb traf Gregor an der Schläfe, es war ein häßliches Geräusch. Der Alte sackte ohne einen Laut in sich zusammen. Moritz wollte aufspringen, aber eine Hand auf seinem Arm hielt ihn zurück. »Das hat er sich selbst zuzuschreiben«, sagte Martin Axt ruhig. Seine Männer legten Gregor auf die Pritsche.
    Moritz atmete tief durch. Der Adrenalinstoß hatte seinen Kopf wieder freigemacht. Fast bewunderte er Gregor, der die Ehre seiner Verlobten so tapfer verteidigt hatte. Aber hatte sie das überhaupt, so etwas wie Ehre? Mathilde Marie von Bergen, die Frau, die seine Mutter war, wurde ihm von Stunde zu Stunde unsympathischer.
    Ray Ban und der Wanderer hatten in der Zwischenzeit abgeräumt und servierten nun das Dessert. Mousse au chocolat. Und dazu ließ Axt einen Cognac kredenzen, in vorgewärmten bauchigen Gläsern, er schwenkte seines kennerisch, bevor er die Nase hineinsteckte und »ahhh!« sagte. Moritz trank nicht, allein vom Geruch wurde ihm erneut schwindelig.
    »Was feiern wir eigentlich?« fragte er schließlich, nachdem Axt in Rekordgeschwindigkeit sein Dessert verputzt hatte, der Mann sah aus, als hätte er am liebsten auch noch den Teller abgeleckt. Dann lehnte der Glatzkopf sich zurück und zündete sich eine Zigarette an.
    »Ihre geschätzte Frau Mutter ist bereit, sich mit mir zu treffen. Noch wissen wir nicht, um wen sie sich größere Sorgen macht – um den Junior oder den Senior. Aber sie wird verhandeln. Wir werden eine saubere Lösung finden. Und wer weiß, vielleicht wird dabei ja ein schönes Sümmchen für Ihre geliebte Schloßruine abfallen.«
    »Ich dachte, es ginge Ihnen darum, das Geld an den rechtmäßigen Besitzer zurückzugeben?« fragte Moritz leise.
    »Rechtmäßig – ach wissen Sie, Herr von Bergen, das ist auslegungsfähig, finden Sie nicht? Tatsache ist, daß Marie Bergen nicht den geringsten Anspruch auf das Geld hat. Und wäre es nicht schön, wenn wenigstens ein Teil des Vermögens der kulturellen Werterhaltung zugute käme?«
    Hoffentlich weißt du, was du tust, Mathilde von Bergen, dachte Moritz. ›Mutter‹. Aber er sah mit beklemmender Klarheit, daß sie der Katze nur gewachsen sein würde, wenn sie mindestens ebenso skrupellos wäre wie ihr Gegner. Aber den Ruf hatte sie ja bereits.
    Und wenn du sie nicht wiedersiehst, weil sie dem Bastard hier im letzten Gefecht unterliegt?
    Leider tat auch dieser Gedanke weh.
    Axt hob das Glas und prostete ihm zu. Von der Pritsche her kam ein jämmerlicher Laut. Moritz stand auf, legte die Serviette auf den Stuhl und ging hinüber zu Gregor. Das Gesicht des Alten war blaß, seine Hände fühlten sich kalt an und klamm vor Schweiß. Moritz kannte die Symptome.
    »Er braucht einen Arzt, sonst haben Sie eine Geisel weniger, Herr Axt«, sagte er leise.
    Zu seiner Überraschung widersprach der Glatzkopf nicht. »Soll er haben, Herr von Bergen. Ganz zu Ihren Diensten.« Er gab Ray Ban ein Zeichen, der sich zu ihm hinabbeugte. Axt flüsterte ihm etwas zu. Dann verließ der Mann den Raum und ließ den Wanderer allein abräumen.
    Die Katze betupfte sich mit der Serviette die Lippen, legte sie beiseite und stand auf. »Ich halte Sie auf dem laufenden, Herr von Hartenfels. Versprochen!« Er zwinkerte Moritz zu und verließ in einer Wolke aus Zigarettenqualm den Raum.
    Moritz schloß die Augen und lauschte auf die Atemzüge des Alten. Plötzlich bewunderte er ihn um seinen Mut, den er ihm gar nicht zugetraut hätte.
    Gelogen. Er beneidete ihn.

3
    Zum ersten Mal, seit sie nach Blanckenburg gekommen war, hatte die einzige Tierarztpraxis weit und breit zu, und Katalina hatte auch noch ein schlechtes Gewissen deswegen. Der Zettel »Wegen Krankheit bis auf weiteres geschlossen«, den sie in den frühen Morgenstunden an die Tür geklebt hatte, würde hoffentlich niemanden auf die Idee bringen, sie zu Hause zu besuchen. Sie fühlte sich außerstande, auch nur einen Menschen zu sehen.
    Sie hatte den großen braunen Umschlag zusammen mit der Werbung und den kostenlosen Zeitungen gestern auf den Küchentisch geworfen, und erst als sie die Zeitungen flüchtig durchsah, um sie

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