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Doppelte Schuld

Titel: Doppelte Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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formulieren.
    »Warum bist du hier? Wieso ich? Was hat dein geschätzter Geschäftspartner mit uns vor?«
    Gregor hob die ausgebreiteten Arme, die Handflächen nach oben.
    Die Mutter bei der Stasi, der Stiefvater käuflich – es war in der Tat eine illustre Gemeinschaft, seine Familie. Moritz fühlte sich mit einem Schlag aller Illusionen beraubt, vor allem der sympathischeren. »Und was nun?« fragte er den Alten. »Möchtest du dein Wiedersehen mit Mathilde vielleicht in diesem gemütlichen Verlies hier feiern?«
    Gregor blieb die Antwort erspart. Die Tür ging auf, und die Katze stolzierte herein, der Mann, den Gregor Martin Axt genannt hatte, eine Zigarette in der einen, einen brennenden Kerzenleuchter in der anderen Hand. Hinter ihm seine beiden Bediensteten mit Tablett, Flaschenkühler und Gläsern.
    »Wir feiern«, verkündete der Mann.
    Ray Ban goß Weißwein in die Gläser, der Wanderer stellte zwei fünfarmige Kandelaber auf den Tisch, und Axt zündete die Kerzen an.
    »Setzen Sie sich, setzen Sie sich!«
    Gregor stand wortlos auf und setzte sich auf den Platz, den Axt ihm zuwies. Widerwillig setzte sich auch Moritz und schwor, kein einziges Bild dieser Szene jemals zu vergessen. Gregor und er an einer Bierzeltgarnitur in einem Verlies aus rotem Backstein, Gastgeber ein Mann mit einem Gesicht wie Peter Lorre, der sächsisch lispelte. Ein ehemaliger Stasihäuptling, ein Entführer, ein Erpresser und wahrscheinlich ein Mörder; ein Mann, mit dem ausgerechnet sein Adoptivvater dunkle Geschäfte machte. Ein Kollege seiner Mutter. Und war er nicht auch einmal mehr als das gewesen? Der Liebhaber, gar noch der verschmähte?
    Ray Ban und dem Wanderer mangelte es an Charme, aber sie servierten das Essen mit der nötigen Professionalität. Als Vorspeise gab es einen gemischten Salat mit warmem Ziegenkäse.
    »Es ist ja nicht so, daß es bei uns unkultiviert zugegangen wäre.« Die Katze redete mit vollen Backen und gestikulierte mit der Gabel. »Bei uns in der DDR. Aber ich muß schon sagen, die Küche – da hat sich was getan seit der Wende.«
    Gregor stocherte in seinem Salat, aber Moritz hatte sich geschworen zu essen. Bei Kräften bleiben, dachte er. Wer weiß, wozu es gut ist.
    »Auf das, was wir lieben«, lispelte der Glatzkopf und hob das Glas. Gregor tat es ihm gleich und stürzte den Inhalt hinunter. Der Alte hatte rote Flecken im Gesicht, was Moritz nicht ohne einen Anflug von Schadenfreude registrierte.
    Auch die Katze glühte, allerdings wohl eher vor Befriedigung. Der Mann triumphierte, und das bestimmt nicht nur wegen der Aussicht auf ein paar hundert Millionen. Moritz nippte am Glas. Auch späte Rache schien sinnlich zu machen.
    »Ein Riesling von der Mosel. Unsere heimischen Gewächse sind mir zu sauer.« Axt schmatzte genießerisch und spießte eine Cocktailtomate auf die Gabel. »Wissen Sie, was am Sozialismus falsch war?«
    Moritz schwieg, und Gregor sah nicht auf.
    »Alkohol gab es genug. Aber nicht den richtigen.« Die Katze grinste.
    Ray Ban und der Wanderer räumten ab. Von irgendwoher hatten sie den nächsten Gang organisiert, jetzt stellten sie Suppenschalen auf den Tisch. Die Katze wedelte sich mit der Hand den Duft vor die Nase. »Currysüppchen mit frischem Koriander. Guten Appetit.«
    Moritz probierte. Zuerst war es nur ein vages Gefühl, lediglich die Spur einer Erinnerung. Und dann funkte es. Er kannte den Duft und den Geschmack dieser Suppe. Nicht, daß so etwas noch exotisch wäre heutzutage. Aber seines Wissens wurde diese Suppe nirgendwo in Blanckenburg serviert außer an einem Ort, an dem sich Katalina und er gern getroffen hatten, bevor er sich unglückseligerweise in die Suche nach seiner Mutter gestürzt hatte. Frau Willke führte diese Suppe regelmäßig auf dem Speiseplan. Im Hotel Viktoria Luise.
    Er richtete den Blick auf die Gewölbedecke. Roter Backstein, gelber Bruchstein. Das paßte. Er erinnerte sich vage an den Weinkeller, den Frau Willke ihnen einmal stolz gezeigt hatte. Dort sah das Mauerwerk genauso aus wie hier im Verlies. Dann schaute er zu den beiden Fensterluken hoch. Die ganze Zeit schon hatte er sich gefragt, warum man hier drinnen keine Geräusche hörte, keine Vogelstimmen, kein Hundegebell, keine Autos, keine menschlichen Laute. Wenn man sie tatsächlich im Hotel eingesperrt hatte, war die Antwort klar: Die Villa war an einem Hang am Rande der Teufelsmauer gebaut, und das Verlies lag offenbar dort, wo das Gebäude sich an den Hang schmiegte. Dort gab es

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