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Dorfpunks (German Edition)

Dorfpunks (German Edition)

Titel: Dorfpunks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rocko Schamoni
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Hamburg, Timmendorf und anderswo nahmen wir mit in diesen geheimen Punkempfangssaal.
    Ich muss manchmal an die Bilder denken, die wir mit unseren Feuerzeugen an die Decken rußten und die wohl auch jetzt noch, Jahre nach unserem Weggang, lange nachdem der Stolleneingang verschlossen wurde, dort wie ein ewiges Zeichen unserer Jugend im Dunkeln warten. Unverändert. In einem Raum mit Laub ohne Fenster und Türen. Zeitbremse, Standbild.

Berlin, alte Hure mit Herz
    Die Sommerferien hatten begonnen, und Bea, Sonny und ich wollten nach Berlin trampen. Ich musste lange mit meinen Eltern diskutieren, aber schließlich stimmte meine Mutter zu und gab mir das nötige Reisegeld. Nicht ohne den Hinweis auf «Wir Kinder vom Bahnhof Zoo». Wir packten nur das Nötigste in unsere kleinen Rucksäcke, machten uns aber piekfein für die Stadt: Bondage-Hose, Lederjacke mit frischem Bandnamen (XTC, Slime, Killing Joke, Discharge, Es loited) hintendrauf und leopardenfellumnähtem Revers, Springerstiefel und frisch blondierte Köpfe in Erwartung all der wunderbaren «Crazy Colours», die wir uns dort kaufen und in die Haare schmieren wollten.
    Berlin, das war für uns ein Name mit Klang. Das war so was wie das London Deutschlands. Wie immer stellten wir uns an die Abtrampe an der Umgehungsstraße in Schmalenstedt. Trampen war damals eine relativ zuverlässige Reisemethode. Wir kamen schnell weg und schnell voran. Über Kiel ging es nach Hamburg und von dort Richtung Osten. Die Transitfahrt durch die DDR war seltsam, das von der westlichen Welt als böser Moloch beschriebene Land sah so normal aus. Aber die wenigen Eingeborenen, die wir aus dem Fenster sehen konnten, wirkten irgendwie aschfahl. Und die Grenzer waren ausgesprochen unfreundlich. Sie mochten uns Punks nicht. Ich wollte ihnen klar machen, dass wir Linke doch zusammenhalten müssten, aber sie hatten kein Interesse an meiner Meinung. Je näher wir Berlin kamen, desto höher stieg unser Adrenalinspiegel, und es hatte auch etwas mit der Reise durch dieses Vakuum zu tun, dass man die Luft anhielt und es kaum noch erwarten konnte, die Stadt zu betreten, um einzuatmen. Berliner Luft.
    Es war unser erster Berlin-Besuch, das Reinfahren in die Stadt war für mich wie das Betreten eines neuen Kontinents. Vom ersten Moment strahlte diese sonderbare Berlin-Energie auf mich ein, wie sie es heute auch noch jedes Mal tut, wenn ich in die Stadt komme. Es ist die einzige deutsche Großstadt, die genug Masse hat, um eine derartige Strahlung erzeugen zu können. Wir versuchten, so schnell wie möglich nach Kreuzberg zu kommen, denn wir hatten aus zuverlässiger Quelle gehört, dass das der angesagte Platz für Punks sei. Erwachsene aus dem Umfeld meiner Eltern hatten uns dagegen vor der Abreise wärmstens Charlottenburg empfohlen, da sei der Ku’damm, die City, da sei immer was los, im Kuhdorf beispielsweise, da seien die jungen Leute. Ich überprüfte diese Tipps später auf für mich schmerzhafte Art und Weise. Wir verließen uns vorerst auf unsere eigenen Quellen und fuhren mit der S-Bahn direkt zum Kotti. Natürlich wurden wir sofort beim Schwarzfahren erwischt, denn der U-Bahnhof Kottbusser Tor gehörte für die Kontrolleure der BVG zu den reichsten Jagdgründen. Hier gab es immer ein paar junge Penner zu erwischen, deren oft wohl situierte Eltern später die Rechnung beglichen. Beim Schwarzfahren erwischt werden, das war ein bisschen wie Eintritt zahlen für Punk-Berlin. Als wir nach erfolgter Aufnahme unserer Personalien aus dem Bahnhof auf den Platz kamen, wussten wir, dass wir am Ziel unserer Reise angelangt waren. Dort saßen so dreißig Citypunks in der üblichen Innenstadt-Punkmontur und labten sich an mehreren Flaschen Noli (Lambrusco oder Bauerntrunk). Wir setzten uns dazu und waren innerhalb von Minuten ein Teil der Gang. Aufgeregt unterhielten wir uns mit ihnen über Style, Klamotten, Haarfarben, Platten, Bands, Konzerte, Skins, Pennplätze und übers Schnorren. Um unseren Einstand zu feiern, besorgten wir als Neuankömmlinge erst mal ein paar Flaschen Kellergeister aus dem Spätkauf. Einige der Punks hatten als Folge der vitaminarmen Kost und der permanenten Verdreckung offene Stellen an den Gliedmaßen, die eiterten. Das nannte sich Schleppscheiße, und neidisch beäugten wir Dörfler mit den gesunden Gesichtern diese Orden der Urbanität. Einziges greifbares Gegenmittel: die Zitronenampullen, die in den Dönerbuden zum Säuern rumstanden. Sie wurden von den Innercity-Punks

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