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Dorfpunks (German Edition)

Dorfpunks (German Edition)

Titel: Dorfpunks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rocko Schamoni
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diese Stadt siechte. Das einzig Lebendige war ein Laden in einem Schuppen, in dem wir Punks uns mit Springerstiefeln und Bundeswehrhosen eindeckten, denn auch uns zog der militante Chic in Oliv an.
    Es gab eine alte Eisenbahnbrücke am Bahnhof, unter der wir oft saßen und Feuer machten. Der Wald stand hier wie ein Dschungel um die riesigen Brückenbögen, die uns als Dach dienten. Zu unseren Füßen unser Fluss – die Dosau, wir im Staub liegend und nach Qualm riechend. Clint-Eastwood-Gefühle. Palettenweise Karlsquell und sehnsuchtsvolle Gespräche, Fallenstellen und Holzfällerei in Kanada. Kannerhiernich Kannada. Komisch, dass man nicht in die Zukunft schauen kann, aber in die Vergangenheit.
    Einmal schmiss jemand von oben einen dieser Steinbrocken, die zwischen den Gleisen liegen, nach unten. Ich hatte ein Loch im Kopf, in das ich einen Finger hineinstecken konnte. Wenn wir zu Meier kamen, rochen wir fast immer nach Feuer. Wir kamen selbst den derbsten Bauern noch unkultiviert vor, die rochen wenigstens nach Kernseife.
    Es gab eine Bank am Bach beim Gildeplatz. Von hier konnten wir auf das Altersheim sehen. «Jung kaputt spart Altersheim» (Bärchen und die Milchbubis). Triste Ecke, hier waren wir nur ein paar Mal.
    Es gab eine Bank auf dem Wanderweg nach Helmstorf, mit einem malerischen Blick auf die Dosau. Hier waren wir öfter, und ich schlief auf der Bank, unter Zeitungspapier, mit den gesammelten Brecht-Werken in Griffnähe. Ich las alles, was mir in die Finger kam. Ich wollte mich wie ein Penner mit Anspruch fühlen, Holden Caulfield und Bukowski zugleich, ich wollte mich frei und wild und schlau und anders fühlen.
    Es gab die Mauer am Stadtteich gegenüber von der Eisdiele, wo man zu zwanzig nebeneinander sitzen konnte. Sie war die idyllische Alternative zum Marktplatz.
    Es gab die Fichtenschlucht neben dem Friedrichsturm, in der die Schützengilde ihre Schießen abhielt und wo wir uns die ersten zwei Jahre im Sommer trafen, wenn wir nicht unter Bürgerbeobachtung stehen wollten. Hier erhielt ich auch meine Trinkinitialisierung in Punkkreisen, und man brachte mir bei, Bier auf Schwedisch zu trinken (Loch in die Seite der Dose machen, saugen, bis ein Unterdruck entsteht, dann den Dosenring ziehen, und das ganze Bier geht mit einem Schluck in die Person. Die Flensburger beispielsweise [die jetzt alle ins Intelligent-Electronic-Lager gewechselt sind] waren und sind zu doof für den Unterdruck-Trick, sie trinken das Bier einfach durch das selbst gebohrte Loch. Da könnten sie auch gleich die normale Trinköffnung benutzen …).
    Es gab einen alten verlassenen Käsebunker, den wir im Wald bei Rap entdeckt hatten. Er bestand aus zwei Stollen. Der eine führte wie ein Brunnen senkrecht in die Erde, und Ita, Rallinger und Wolli kletterten gleich hinein, um sich umzusehen. Sie glitten an einem alten Baumstamm in den Schacht, fanden es unten urgemütlich und machten sich ein Feuer an. Das Laub auf dem Boden war feucht, und natürlich fing das Feuer stark zu qualmen an. Jetzt versuchten sie, an dem Baumstamm wieder nach oben zu gelangen, aber auf der glitschigen Rinde rutschten sie immer wieder nach unten, dem Nachfolger mit dem Hintern ins Gesicht. Dass es einfacher gewesen wäre, das Feuer zu löschen, zogen sie bierpegelbedingt nicht in Betracht. Wir anderen hörten nur ihr ersticktes Gekreische und mussten nun einen nach dem anderen samt Baumstamm aus dem Loch ziehen.
    Der andere Stollen war ein finsteres Loch im Wald. Man ging einen waagerechten Gang, um mehrere Ecken, und musste dann über zwei Mauern klettern, zwischen denen ein dreieinhalb Meter tiefer Graben lag. Hinter der zweiten Mauer öffnete sich ein etwa zwanzig Quadratmeter großer unterirdischer Raum ohne Fenster oder Türen. In ihm lag sonderbarerweise Laub, obwohl es hier keine Öffnung gab, durch die Blätter hätten hineinfallen können. Dieser Raum war wie ein Mausoleum, wie eine Gruft, niemand kannte ihn, er musste schon seit sehr langer Zeit leer stehen. Es roch modrig, die Wände waren feucht, und nur das Licht unserer Kerzen erhellte die ewige Grabesnacht. Jemand behauptete, dass sie an diesem Ort früher Käse gekühlt hätten, daher der Name Käsebunker. Wir fühlten uns sehr wohl hier, denn der Platz war absolut geheim, gehörte nur uns, er war unsere Räuberhöhle. Wir tranken, sangen uns mit der Gitarre Lieder vor oder hatten einen Kassettenrecorder mit Punk oder sonderbarer neuer Musik mit deutschen Texten dabei. Freunde aus

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