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Dorfpunks (German Edition)

Dorfpunks (German Edition)

Titel: Dorfpunks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rocko Schamoni
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Kursen immer öfter unentschuldigt fern. Ich trampte zu David, der nach Preetz gezogen war, in eine tolle Punk-WG. David hatte bereits begonnen, ernsthaft zu malen. Sein bestes Bild hieß: «Dusch doch selbst, Herr General».
    Manchmal holte mich auch HB mit seinem alten VW-Bus vom Berghof ab. Darauf war ich besonders stolz, HB war für mich ein Guru. Er trug immer einen langen Fischgrätmantel, Springerstiefel und einen weich gewaschenen Huronenschnitt, der zwischen Punk und Popperchic changierte. Uns Jüngere behandelte er väterlich. Wir fuhren nach Kiel oder zu ihm nach Hause nach Saale. Dort spielte er uns Musik vor oder erklärte uns Weinsorten.
    Ich hatte vor, den Berghof vorzeitig zu beenden, und meine Eltern ließen das nur unter der Prämisse zu, dass ich mich beim Arbeitsamt um eine Zukunftsperspektive kümmerte. Ich sagte erst mal zu und wurde einem älteren Sachbearbeiter zugeteilt, Herrn Stolpe, mit dem ich lange Gespräche führte, in denen herausgefunden werden sollte, was für mich das Beste sei. Ich wollte an die Kunsthochschule nach Kiel, aber das war aus irgendwelchen Gründen nicht möglich. Schließlich blieb von allen Unmöglichkeiten nur ein Angebot übrig, eine Lehrstelle in Stelling als Töpfer.
    Was sollte ich tun, ich fuhr zum Vorstellungsgespräch mit der Meisterin und einzigen Beschäftigten des Töpferbetriebes. Sie war noch recht jung, vielleicht so Mitte dreißig, klein und zierlich und vom Auftreten her ziemlich hart, aber ehrlich. Sie akzeptierte mich selbst unter meiner Bedingung, Nietenarmbänder und bunte Haare tragen zu dürfen. Jetzt kam ich nicht mehr davon. Man wollte mich zum Töpfer machen. Meine Mutter war begeistert, es schien ihr unter den gegebenen Bedingungen die beste Möglichkeit, und abgesehen davon mochte sie den Werkstoff Ton sehr gerne. Ich nicht. Eigentlich war das für mich Hippiescheiße, aber immer noch besser als Bankangestellter oder so was. Und meine Eltern ließen mir keine Wahl, entweder ich sagte ja oder ich könnte ausziehen. Dafür war ich mit meinen sechzehn Jahren zu feige. Dann schon lieber Kneten.
    Ich genoss die drei letzten Monate in Freiheit und holte tief Luft, bevor ich wieder abtauchen sollte ins nächste große MUSS.

Kleine Freiheit
    Bis zum Beginn der Lehre war ich noch auf so vielen Partys wie möglich, ließ mich treiben, stand endlich nur dann auf, wann ich wollte, lebte so frei, wie es mein kärgliches Taschengeld zuließ. Es war Frühling, und die Möglichkeiten schienen mir für einen Moment unbegrenzt. Wir fuhren viel durch die Gegend, manchmal nach Kiel und ab und zu auch nach Hamburg.
    Einmal gurkten Piekmeier, Sid, Pelle, ich und andere mit HB im VW-Bus wieder dorthin. Wir wollten ins B’sirs, das war der angesagte Schuppen, hieß es. Wir waren sehr aufgeregt, voller Vorfreude, in die große Stadt zu fahren und in den coolsten Laden zu gehen. Wir suchten eine ganze Weile, fragten Szenisten, wo wir lang müssten, und fanden schließlich unser Ziel. Um elf herum standen wir am Tresen und bestellten Getränke. Es war so aufregend. Das waren also die coolsten Leute der Großstadt, so sah das aus. Nach einigen Minuten patrouillierte ein Skin in schwarzen Klamotten durch den Laden, und jemand sagte uns, der sei von der Savage Army. Das waren so Nazipunks. Er guckte uns schief an, denn wir waren die einzigen Punks in dem Laden voller Waver. Dann verschwand er eilig, wir hinterher. Draußen sahen wir, dass er seinen Kumpels schon Bescheid gesagt hatte, eine ganze Menge fetter Glatzköpfe kam die Straße entlanggestürmt. Wir rannten in alle Richtungen auseinander, Piekmeier und ich liefen zusammen. Der Trupp blieb uns dicht auf den Fersen, es waren etwa zehn Mann. Wir gaben Gas, rannten um eine Ecke und dann in einen lang gezogenen Hinterhof. Grober Fehler, hier ging es nicht weiter. Wir hörten, wie das Stiefelgetrappel in einiger Entfernung stoppte, sie schienen unsere Spur verloren zu haben. Piekmeier und ich versteckten uns im letzten Winkel des Hofes, hinter einem kleinen, vollkommen kahlen Strauch. Kein einziges Blatt hatte der, wir hätten auch einfach Äste vor uns halten können, der Effekt wäre der gleiche gewesen. Der Trupp schickte einen Späher auf den Hof, der sich uns langsam näherte. Piekmeier hatte eine Gaspistole dabei, ein süßes, kleines Sechs-Millimeter-Teil, mit dem man beispielsweise einen Hamster hätte stoppen können. Aber keinen Savage-Army-Trupp. Der Vollmond schien hell vom Himmel und warf die dünnen,

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