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Dorn: Roman (German Edition)

Dorn: Roman (German Edition)

Titel: Dorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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bin aufs Äußerste beeindruckt von diesem Ort. Aber wo bin ich hier?«
    »An einem Hort des Wissens«, erklärte der Elb mit einer ausladenden Handbewegung. »Hier bewahre ich alles Geschriebene der Elben und Menschen auf, das die Jahrhunderte überdauert hat. Und das, was ich des Aufbewahrens für wert erachte.«
    Ich blickte mich erneut um und erst jetzt sah ich, dass zwischen den Ranken und Ästen des Felsbewuchses Schriften hervorragten. Die Pflanzen waren gespickt mit Rollen, Folianten, Briefumschlägen, Dokumentenbündeln und vielen anderen Handschriften.
    »Wie ist das möglich?«, fragte ich erstaunt. »Ich dachte, Papier und Pergament verrotten, wenn sie zu feucht werden und …«, ich hielt inne, um die feuchte Luft zu atmen, die Wasserfall, See und Pflanzenwelt mit sich brachten, »… hier ist es doch ziemlich feucht.«
    Elurian hingegen sagte nur: »Das ist Teil unserer Magie. Und ich muss dir danken, Deckard. Denn ohne meine Stimme hätte ich all das hier nicht mehr sehr lange vor dem erbarmungslosen Griff der Natur zu schützen vermocht. Die richtigen Lieder zur richtigen Zeit können vieles bewirken, Herr Deckard.«
    Das glaubte ich ihm gerne und dachte daran zurück, wie Lia uns im Heerlager der Riesen in den Schatten verborgen hatte.
    Lemander zwinkerte mir zu: »Du weißt doch noch, was ich dir und dem armen Hermelink über Alte Magie erzählt habe?«
    Nickend bestätigte ich. Wir hatten Mooskinder gesehen – und Hermelink hatte bei seiner Rückkehr Frau und Kindern davon erzählen wollen. Doch Elurian und Lemander hinderten mich daran, von der Traurigkeit der Erinnerung übermannt zu werden.
    »Elurian hat mir von etwas erzählt, das sich uns vielleicht als hilfreich erweisen könnte.«
    »So?«
    »Komm mit, junger Graf«, forderte Elurian mich auf. »Es gibt doch nicht mehr viel zu verlieren für dich, oder?«
    Ich verneinte.
    »Dann hast du doch sicherlich einige wenige Augenblicke Zeit für die Spinnereien eines alten Elben. Immerhin ist eure Abreise erst für den morgigen Tag geplant.«
    Elurian schritt leichtfüßig voran, hinein in das Gewirr aus Stufen und Terrassen. Glühwürmchen stoben vor ihm auseinander, wie kleine Sternenhaufen. Lemander und ich folgten ihm unsicheren Schrittes über die Rankentreppen, uns festklammernd an Geländern aus Astwerk und Blättern.
    Schließlich waren wir ein gutes Stück über dem Grund des Sees, als Elurian stehenblieb und einen einzelnen Briefumschlag zwischen zwei dicken Blättern hervorholte und mir reichte. Das Papier war gelblich, aber der Umschlag war soweit intakt. An Baterius von Wintershelm , prangte in großen, geschwungenen Lettern auf der Vorderseite. Ich klappte ihn auf und holte das zusammengefaltete, offensichtlich sehr alte Stück Papier heraus und las:
    Lieber Baterius,
    das neue Reich, das Aan geschaffen und bis zu seinem Tod mit erbaut hat, besitzt großes Potential. Ein derart großes gesamtpolitisches Gebilde ist hier im Norden von Dorn noch nie von Menschenhand erschaffen worden. Es bietet Möglichkeiten für ein sicheres Zusammenleben und fördert durch seine schiere Größe allein schon Handel und Kultur. Ich bin sicher, dass man sich noch lange an unsere Tage erinnern wird. Ich hoffe und bete, dass es noch in Jahrhunderten, vielleicht in Jahrtausenden der Fall sein wird.
    Aber auch ich bin mittlerweile hoch betagt, wie Du nur allzu gut weißt, mein Lieber. Doch wenn Du gehofft haben solltest, dass ich die Geheimnisse meiner Magie mit Dir in Briefform teile, dann muss ich Dich enttäuschen. Ich habe im Laufe eines langen Lebens viele Mysterien zu Gesicht bekommen und erforscht. Und ich weiß, wie gefährlich dieses Wissen wiederum sein kann, wenn es in die falschen Hände gerät. So werde ich viele Geheimnisse also einfach für mich selbst behalten, auf dass sie einst mit mir sterben mögen.
    Jedoch gibt es eine Sache, die ich Dir mitzuteilen habe, in der Hoffnung, dass dieses Wissen bei Dir in sicheren Händen ist. Es geht um jene Gegenstände, die ich die »Insignien« nenne. Jene äußeren Zeichen von Aans Königswürde, die auch in späterer Geschichtsschreibung wohl häufig mit ihm in einem Atemzug genannt werden:
    Die schwarze Krone, das rubinrote Szepter und das Schwert Navriel.
    Ich habe durch einen kompliziert gewobenen und sehr alten Zauber sichergestellt, dass der- oder diejenige, der diese Gegenstände in seinem Besitz weiß, immer eine Möglichkeit haben wird, das Eherne Reich zusammenzuhalten. Ich spreche keine

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