Dorn: Roman (German Edition)

vielfaches lauter. Erlenfang vibrierte in meiner Hand.
    Während Lemander und ich wie angewurzelt auf die Klinge starrten, nickte Elurian wissend.
    »Ich denke, dies ist Aans Klinge.«
    »Du … denkst es?«, vergewisserte ich mich zögerlich.
    »Dies ist Elbenstahl. Diese Klinge stammt aus dem alten Elbenreich, in dem nun die Menschen wohnen. Es ist eine meisterhafte Arbeit und sie wird teuer gewesen sein. Die Klinge ist so schlank und leicht wie sie stabil ist.«
    »Man hat mir stets erzählt, dass die Klinge aus dem Reich Ebben stammt.«
    »Aber so genau wusste es niemand, richtig?«
    Das stimmte. Eine völlig klare Aussage zur Herkunft der Klinge hatte ich nie bekommen.
    »König Aan muss ein faszinierender Mann gewesen sein. Klug, charismatisch, mitreißend«, erklärte Elurian. »Es kommt nicht häufig vor, dass Elben ihr Handwerk in die Dienste eines Menschen stellen. Aber in all den Geschichten, die ich im Laufe meines langen Lebens gehört habe, schien es mir eigentlich immer offensichtlich, dass Aans Schwert Navriel eine Elbenklinge sein musste. Allein schon des Namens wegen.«
    »Aber Aan hat einen Krieg gegen euch geführt.«
    »Dennoch hat er die Elben stets respektiert, oder? Er war kein Elben-Hasser, sondern wollte lediglich das Beste für sein eigenes Volk. Im Gegenteil, er hat uns sogar ein äußerst fruchtbares Land für unser Exil überlassen.«
    »Das klingt ja beinahe, als ob ihr dankbar sein müsstet.«
    »Das nicht. Ich heiße nicht gut, was Aan uns angetan hat. Aber es ist falsch, es engstirnig und einseitig zu sehen. Aan hatte Gründe für sein Handeln. Das mag in einer Katastrophe für uns Elben gemündet haben, aber ich glaube nicht, dass Boshaftigkeit der Antrieb eures ersten Königs war.«
    »Noch etwas«, mischte sich Lemander ein. »Aan stammte aus Falkenberg.«
    Unschlüssig sah ich ihn an, nickte aber dann.
    »Richtig«, erinnerte ich mich und murmelte: »Vielleicht ist das Schwert auf diese Weise ja in die Gegend gelangt.«
    Lemander hatte noch eine weitere spannende Bemerkung auf Lager: »Es ist sind ja keine Geschichten über das Schwert mehr bekannt, die nach Aans Eroberungsfeldzug spielen. Wieso sollte das Schwert nicht einst in Erlenfang umbenannt worden sein. Es würde mich nicht überraschen, wenn man den elbischen Namen nicht mehr nutzen wollte. Und Erlenfang ist auch nur ein altes Wort, das in etwa Elbenhäscher bedeutet.«
    Das kam überraschend. Dabei war es nur logisch, wenn man die Geschichte so betrachtete, ja beinahe vollkommen offensichtlich. Dreihundertvierundzwanzig Jahre seit der Proklamation waren in der Geschichte der Zeit nur ein Katzensprung.
    Und vielleicht hatte sich der historisch interessierte Fjelding einfach nur alles zusammengereimt. So schwer war es ja auch nicht, wenn man die richtigen Schlüsse zog.
    Ich ließ mich auf einen aus Ästen gewachsenen Lesestuhl sinken.
    »Und … was heißt das nun alles?«, fragte ich unsicher.
    »Das liegt bei dir«, meinte Lemander. »Entscheide du, was du mit deinem neugewonnen Wissen anstellten kannst.«
    Er zwinkerte. »Es kann nicht schaden, die Geschichte um die drei Insignien von König Aan im Hinterkopf zu behalten.«
    Am nächsten Morgen reisten wir ab, während sich die Sonne mit goldgelbem Glanz von Osten her über die Hügel und Wälder Quainmars schob. Sie tauchte alles in ihre warmen Farben und das Meer schillerte unter ihr wie ein Teppich aus Goldmünzen.
    Es hatten sich einige Elben versammelt, um unsere Abreise zu verfolgen. Sie trugen Gewänder, die ebenso hell wie der Morgen waren und sie ein wenig wie Gestalten aus Licht wirken ließen.
    König Innimdal und Königin Elaia waren gekommen, um ihre Tochter zu verabschieden und ihre Gesichter kündeten vom Widerwillen, sie erneut ziehen zu lassen. Doch Lia war zu einer selbstständigen Person herangereift – vor allem im Verlauf der letzten Monate, die sie allein in der Fremde hatte überstehen und in der sie ihre eigenen Entscheidungen hatte treffen müssen.
    Ich beobachtete die Szene aus einiger Entfernung, doch schließlich holte die Königin der Elben auch mich heran.
    »Deckard von Falkenberg«, begann sie, während alles um sie herum zu schweigen begann. Auch die geschäftigen Nordmänner und sogar die Vögel am Himmel schienen in andächtige Stille zu verfallen. »Wir können dir keine Hilfe sein, so wie du uns eine gewesen bist. Das bedaure ich zutiefst um deinetwillen. Aber die Welt bewegt sich weiter und vielleicht werden Menschen und Elben