Dorn: Roman (German Edition)
Garantie dafür aus, dass der- oder diejenige die Chance nutzen wird, die sich bietet. Noch werde ich mich explizit darüber auslassen, worin sie besteht. Aber ich muss dieses Wissen mit jemandem teilen, bevor es verloren geht. Denn dann wäre alle Anstrengung vergebens gewesen.
Sei nicht verstimmt, wenn Dich diese Form eines Testaments vielleicht weniger beschenkt, als Du es Dir gewünscht hast. Ich hoffe, Du erkennst die Macht des Wissens dahinter, gibst es weiter und lässt es einst vielen Menschen zum Vorteil gereichen.
Mit größter Ehrerbietung,
Mundus
»Mundus?«, entfuhr es mir überrascht und ich blickte Lemander und Elurian fragen an. »Geht es um den Mundus?«
»Ich denke schon«, sagte Lemander mir einem Leuchten in den Augen, während er mir den Brief abnahm. »Der letzte große Magier, der etwas von der Alten Magie wusste.«
Elurian nickte zustimmend. »Mundus war nicht nur der Hofmagier Aans. Mundus war der letzte Mensch, der wusste, wie man die Alte Magie manipuliert und gebraucht. Nicht so wie wir Elben, durch Musik und die richtigen Lieder. Mundus kannte die Elemente beim Namen. Er wusste, welcher Materie und welchen Gegenständen Energien innewohnen und er wusste sie auch zu gebrauchen. Ein scharfsinniger Geist, der nicht zuletzt eine Menge zu unserer endgültigen Niederlage gegen die vereinigten Menschen unter König Aan beigetragen hat.«
Doch die Fragen in meinen Augen schwanden nicht.
»Du hegst also keinen Groll gegen Mundus?«, wunderte ich mich.
Elurian blickte zu Boden. »Welchen Sinn ergäbe es, den Menschen noch zu zürnen? Es würde zu nichts führen außer Leid.«
»So, wie es das in Linus’ Fall tut.«
»Ja«, bestätigte Elurian mit Bedauern in der Stimme. »Ich heiße nicht gut, was Linus tut. Doch würde ich auch nicht gegen ihn in die Schlacht ziehen.«
»Also überlässt du es uns Menschen, wie wir damit umgehen?«, schloss ich daraus.
Wieder bejahte Elurian. »Es ist nun euer Reich und in eurer Verantwortung, euch geschlossen gegen Einflüsse von außen zu stellen. Ihr habt diese Lande einst von den Elben genommen, jetzt könnt ihr nicht erwarten, dass wir sie für euch beschützen. Das«, Elurian zeigte auf den Brief, »ist das Einzige, was ich euch an Hilfe geben kann, Herr Deckard.«
»Die Insignien also«, murmelte ich vor mich hin, suchte Lemanders Blick mit Fragen in den Augen. »Glaubst du wirklich, dass es uns einen Vorteil einräumen könnte, wenn wir diese Insignien finden?«
Lemander zuckte mit den Achseln. »Das liegt bei uns. Indes muss ich aber darauf bestehen, dass wir die Insignien nicht zu suchen brauchen.«
»Nicht?«
Kopfschütteln. »Die gusseiserne Krone ist sicher auf Jorhammer bei König Fjelding.«
Das stimmte, ich hatte sie selbst gesehen. Auch wusste ich wo das Szepter war. »Das Szepter hängt über dem Ehernen Thron in der großen Halle von Anselieth.«
»Richtig. Und das Schwert Navriel haben wir hier.«
Elurian deutete auf Erlenfang, das ich an einem Riemen quer über dem Rücken trug.
Ich bekam große Augen. Also sollte die Vermutung, die König Fjelding angedeutet hatte, tatsächlich wahr sein? Trug ich seit dem Tod meines Vaters das Schwert des ersten Königs des Ehernen Reiches mit mir herum? Das Schwert König Aans, des Eroberers, des Visionärs? Ja, es stimmte, dass in den Erzählungen von einem sehr schlanken Schwert die Rede war, das Aan geführt hatte. Navriel war sein Name gewesen.
Ich nahm Erlenfang ab und betrachtete den mit Leder umwundenen Griff. Nirgends war ein Zeichen davon zu sehen, dass das Schwert einmal jemand anderem als einen Falkenberger gehört hätte. Im Knauf war gar unser Wappen eingeprägt.
»Seid ihr sicher?«, murmelte ich und zog die Klinge aus ihrer Scheide, um auch sie noch einmal eingehend zu besichtigen. Ich konnte nirgends eine Gravur oder ähnliches entdecken, das einen Hinweis auf die Herkunft gegeben hätte.
Da erhob Elurian seine Stimme und sang volltönend eine einzige Zeile.
bruanith dun avynn, gahar taulir
Und wieder nahm mich die Magie der Elben völlig für sich ein. Einen Moment lang dehnte sich die Welt um mich herum zu einem weiten Feld und verdichtete sich wieder zu der großen Felskammer, in der wir standen. Nur ein einzelner hoher Ton schwang durch den Raum und hallte von den dicht bewachsenen Wänden und der Wasseroberfläche des Sees wider. Es war, als würde man mit feuchten Fingern auf dem Rand eines kristallenen Bechers entlang gleiten – nur war der Ton um ein
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