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Dorn: Roman (German Edition)

Dorn: Roman (German Edition)

Titel: Dorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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wie ein Sonnentag, das des Königs tiefschwarz. Lange, fließende Gewänder fielen an ihnen herab und sie waren barfuß.
    »Herr Innimdal, Herrin Elaia«, sagte ich voller Ehrfurcht. »Ich würde euch gern die Freundlichkeit erweisen, in eurer Sprache zu sprechen, aber ich bin nicht fähig, mich darin komplex auszudrücken.«
    »Das ist in Ordnung, lieber Deckard«, sagte Innimdal mit großer Ernsthaftigkeit. »Wir beherrschen deine Sprache gut.«
    »Du hast unser Kind und unsere Stimmen zurückgebracht«, fuhr die Königin der Elben fort. Sie war älter als meine Mutter es gewesen wäre, sie war sogar älter als Lemander. Aber sie war von einer Schönheit, die wie der Sonnenaufgang erstrahlte.
    »Ich habe nur getan, wozu das Schicksal oder die Götter mich befähigt haben. Und es ist leider nicht alles, was ich mir erhofft habe.«
    Ein mildes Lächeln umspielte die Lippen von Königin Elaia. »Dennoch – nicht jeder, dem das Schicksal solche Taten ermöglicht, vollbringt diese auch.«
    Ich machte erneut die Andeutung einer Verbeugung.
    »Meine Herrin, du beschämst mich mit deiner Freundlichkeit.«
    »Auch beschämt brauchst du nicht zu sein, Deckard. Sich des Dienstes zu schämen, den du uns erwiesen hast, wäre falsch.«
    »Dann freut es mich, den Elben von Quainmar geholfen zu haben. Ihr seid ein so anmutiges Volk – und es wäre ebenso falsch, keine Rücksicht auf euch zu nehmen.«
    Innimdal zog anerkennend die Augenbrauen nach oben. »So denken nicht viele Menschen. In der Vergangenheit nicht und heutzutage ebenso wenig.«
    »Ich weiß«, gestand ich. »Es war grausam und verkehrt, was vor der Proklamation des Ehernen Reiches geschah. Ich schäme mich für die Taten, die meine Vorfahren an euch begingen.«
    »Aber dennoch würdest du das Reich nicht wieder an die Elben geben, Deckard. Ist das richtig?«
    Skepsis lag in der Stimme des Elbenkönigs.
    »Das ist richtig«, bestätigte ich. »Das Reich ist meine Heimat und die Heimat unzähliger Menschen. Niemand von uns trägt Schuld an dem, was vor über dreihundert Jahren geschehen ist, weil niemand zu der Zeit gelebt hat. Es bereitet euch Schmerz, weil das Gedächtnis der Elben anders gewebt ist als unseres, weil euer Leben länger ist und über mehrere unserer Generationen reicht. Aber die Menschen, die jetzt das Eherne Reich bevölkern, zu bestrafen, ist ein ungerechter Weg.«
    »Es war auch nicht gerecht den Elben gegenüber, die euer Land zuvor bewohnten.«
    »Dem stimme ich voll Bitterkeit zu. Aber genügt das als Grund, erneut Tausende Unschuldige in den Tod zu schicken? Ist es in den Augen der Elben nur ein Rechenspiel um Vergeltung? Eine Ungerechtigkeit legitimiert im Gegenzug keine andere Ungerechtigkeit.«
    »Du hast Recht, Deckard«, übernahm Königin Elaia wieder die Gesprächsführung. »Es schmerzt uns sehr, zu sehen, was unser eigen Fleisch und Blut an Leid unter euch Menschen anzurichten gedenkt. Und dennoch können wir nicht eingreifen.«
    Da war er, der Satz, der meine heimliche Hoffnung zunichte machte. Mit bröckelnder Zuversicht hakte ich nach. »Ihr müsst keine Armee entsenden …«
    »Was du aber zweifellos im Sinn hattest, richtig?«
    Ich ging nicht darauf ein. »Ihr könnt jeden anderen Weg wählen, um dem grausamen Treiben eures Sohnes Einhalt zu gebieten …«
    Doch sowohl König als auch Königin schüttelten bedauernd den Kopf.
    »Es ist gleich, was wir tun, Deckard«, versuchte Elaia mich zu besänftigen. »Am Ende würden die Menschen es auf uns zurückfallen lassen, ob gerechtfertigt oder nicht. Eure Angst schwingt zu schnell in blinden Hass um.«
    Ich sank mutlos auf die Knie.
    »Ich bitte euch von ganzem Herzen«, machte ich einen letzten Versuch. »Tut irgendetwas ! Es ist euer eigener Sohn, der das Menschenreich mit sich in den Abgrund reißt. Es kann euch nicht recht sein.«
    Doch all mein Bitten und Flehen war vergebens. Das Königspaar der Elben in seinen lichtdurchfluteten Hallen änderte seine Meinung nicht.
    Mit gesenktem Kopf verließ ich schließlich die Erhabenheit Finduils. So berauschend die Begegnung mit dem Königspaar der Elben auch für mich begonnen hatte, so niederschmetternd und ernüchternd war das Ergebnis im Endeffekt für mich. Ich hatte trotzige Dinge sagen wollen zu Elaia und Innimdal, doch ich hatte mich beherrscht. Aber ich teilte ihre Sichtweise nicht, die es ihnen erlaubte, sich moralisch nicht in die Pflicht nehmen zu lassen. Verdammt, was war denn nötig, um die Elben zum Eingreifen zu

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