Dornen der Leidenschaft
Schwangerschaft für eine Abtreibung schon zu weit fortgeschritten ist. Die Frau wird den Eingriff nicht überleben. Wenn Sie dieses Risiko eingehen wollen, kann ich anfangen.«
»Nein«, hatte Juan zu Auroras Erleichterung entgegnet. »Ich will, daß die Frau lebt – und leidet. Ich warte, bis das Kind zur Welt kommt, und werde es gleich nach der Geburt erwürgen.«
Als sie diese grauenvolle Ankündigung des Marqués hörte, gefror ihr das Blut in den Adern. Juan war nicht nur verrückt, er war ein Unmensch.
Plötzlich fuhr sie auf. Sie hörte ein leises Klopfen an ihrer Tür.
»Doña Aurora?« flüsterte Mario und blickte gespannt über seine Schulter den Schiffskorridor entlang. »Doña Aurora, sind Sie da drinnen?«
»Ma – Mario?« Sie wagte kaum zu atmen.
»Si, ich bin es, Señora. Ist alles in Ordnung? Kommen Sie näher zur Tür, dann können wir sprechen.«
»Mario! Gott sei dank«, rief Aurora, als sie sich zur Tür tastete und ihr Ohr dagegen preßte. »Was tun Sie hier? Wie haben Sie mich gefunden? Ist Salvador bei Ihnen?«
»Nein«, antwortete er. »Hören Sie zu, Señora: Ich habe Ihren Mann benachrichtigt. Er ist mit Sicherheit schon jetzt auf dem Weg, um Sie zu retten, also verzweifeln Sie nicht. In der Zwischenzeit werde ich so oft zu Ihnen kommen, wie ich kann.«
»Aber – wie haben Sie mich gefunden?«
»Ich habe beobachtet, wie Juan Sie an Bord gebracht hat, und bin ihm gefolgt. Ich habe als Schiffsjunge angeheuert. Ich würde dem Kapitän ja von Ihrer Entführung berichten, aber ich glaube nicht, daß er mir, einem Mestizen, mehr Glauben schenkt als dem Marqués.«
»Oh, Mario, ich habe solche Angst. Weiß Juan, wer Sie sind? Besteht die Gefahr, daß er Sie erkennen könnte?«
»Nein, ich habe mein Aussehen verändert. Außerdem ist der Marqués seekrank und leidet an einem Malariaanfall. Seit Beginn der Reise hat er seine Kabine nicht verlassen. Señora, die Frage ist mir unangenehm, aber er hat doch nicht … hat doch nicht …«
»… mich belästigt?« Aurora errötete. »Gott sei Dank nicht. Noch nicht.«
»Bueno. Und ihr Kind?«
»Das ist noch in Sicherheit.«
»Dann können Sie beruhigt schlafen, Señora, denn ich glaube, daß Don Juan für den Rest der Reise außer Gefecht gesetzt ist. Ich muß jetzt gehen. Da kommt jemand. Kopf hoch, Señora. Sie sind nicht mehr allein. Ich, Mario, bin bei Ihnen.«
Nachdem Mario gegangen war, sank Aurora zu Boden und weinte erleichtert. Als ob es den Kummer seiner Mutter spürte, bewegte sich das Baby in ihr. Aurora hörte auf zu weinen und legte die Hände auf ihren Leib, um das Kind zu beruhigen.
»Beeil dich, mein geliebter Salvador. Beeil dich«, flüsterte sie in den leeren Raum, »ich weiß nicht, wie lange ich noch durchhalte.«
38. KAPITEL
Matamoros, Mexiko, 1851
»Mehr Reis, Mama. Will mehr Reis!« quengelte der kleine Junge Chance, während er mit dem Löffel auf seinen Teller klopfte.
»Still, Chance, sei still!« wies Storm Lesconflait ihren fast zweijährigen Sohn zurecht. »Die Leute schauen schon.«
Dann lächelte sie und gab noch etwas von dem dampfenden spanischen Reis auf seinen Teller, während die anderen Gäste auf der Terrasse des Hotels amüsiert zusahen.
»Ganz schön lebhaft, der Kleine«, bemerkte eine ältere Witwe und blinzelte dem Jungen zu.
»Sí« ,antwortete Storm auf spanisch mit einem leichten französischen Akzent. »Aber ich liebe ihn trotzdem.«
»Natürlich«, entgegnete die Dame und seufzte. »Das tun alle Mütter, nicht wahr. Julio! Die Rechnung, por favor. Ah, das ist der stolze padre, wenn ich nicht irre.«
»Sí« ,bestätigte Storm und sah ihrem großen dunkelhaarigen Ehemann entgegen.
Ihre grauen Augen glänzten voller Liebe, als sie ihn ansah und die Blicke der Bewunderung bemerkte, die ihn allerseits verfolgten. Jede Frau wäre stolz, ihn ihr eigen nennen zu können – und Storm war sehr stolz auf ihn.
Sie war eine Südstaatenschönheit, geboren und aufgewachsen im French Quarter von New Orleans. Vor ein paar Jahren, als sie noch eine sechzehnjährige Waise war, hatte ihr nichtsnutziger Onkel ihre gesamte Erbschaft verspielt. Dann hatte er Storm im Spiel an einen grausamen Farmer, Gabriel North, verloren. Dieser Mann hatte El Lobos Eltern umgebracht. Als sie auf dem Weg nach Texas gewesen war, um mit dem Farmer verheiratet zu werden, war Storms Postkutsche von einer Gruppe berüchtigter Banditen überfallen und sie gefangengenommen worden. Glücklicherweise verlor der jüngste
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