Dornen der Leidenschaft
liefen unter lautem Geschrei davon. Der Aufseher brüllte ihnen nach und befahl ihnen zurückzukommen, doch sie hörten nicht auf ihn. Während er einige Schüsse abfeuerte, rannte er einem Eingeborenen nach, der gerade im Busch verschwand. Der Holländer, vom Lärm geweckt, schleuderte die Zeltplane zur Seite und lief ihnen hinterher.
»Großer Gott«, flüsterte Salvador. »Wie hast du das nur geschafft?«
Wieder grinste der Junge.
»Sie dachten, wir wären Jívaros – ein Stamm von Kopfjägern. Mario hat Aurora immer damit erschreckt. Er hat mir beigebracht, wie man diesen gräßlichen Lärm erzeugt.«
»Schrecklich, ja. Aber es hat funktioniert, dafür bin ich dir sehr dankbar. Du wartest hier, Nicolas. Ich verfolge Van Klaas.«
Juan konnte es nicht fassen. Er war hereingelegt worden. Er hatte so lange auf diesen Augenblick gewartet, und nun wurde ihm sein Triumph vergällt. Doña Aurora Montalbán de Rodriquez, Viscondesa Poniente, war blind. Sie konnte die furchtbare Narbe in seinem Gesicht, die sie ihm zugefügt hatte, nicht sehen. Der Marqués war so erbost, daß er Aurora zu Boden schlug. Wie konnte sie es wagen, blind zu sein? Nicht fähig zu sein, die entstellende Narbe zu sehen, die sie ihm beigebracht hatte? Juan hatte sich so gewünscht, daß sie seine zornigen Blicke ertragen mußte und zusah, womit er sie verletzte und wie er sie schließlich vergewaltigte.
»Steh auf, du Hure«, herrschte der Marqués sie an und versetzte ihr einen Stoß in die Rippen. »Steh auf!«
Aurora versuchte verzweifelt nach etwas zu greifen, um sich daran hochzuziehen. Als sie sich aufgerichtet hatte, lehnte sie sich gegen den Tisch, um nicht wieder zu stürzen. Juan lachte laut über ihre Angst und Verwirrung.
»Jetzt bist du nicht mehr so selbstsicher und dreist, was? Du elende Dirne! Dios, wie sehr ich darauf gewartet habe, dich so am Boden zerstört zu sehen; und deinem Mann, Salvador, wird es nicht anders ergehen, wenn ich mit ihm abgerechnet habe. Ich frage mich, wie du überhaupt mit meinem Halbbruder zusammengekommen bist. Na egal. Es ist sogar besser als geplant. Ich schreibe ihm einen Brief, in dem ich ihm natürlich sagen werde, wo du dich aufhältst. Nein, mach dir keine Hoffnungen, Schätzchen. Ich fürchte, wenn Salvador in Belém ankommt, sind wir nicht mehr hier. Ich werde ihm eine schöne Verfolgungsjagd bieten, diesem bastardo. Und die ganze Zeit bist du in meiner Gewalt, und mein Halbbruder weiß es. Es wird ihn verrückt machen; ich weiß von dem Holländer, daß er dich sehr liebt. Tut er das, mein Herzchen?« spottete der Marqués und kniff sie in die Wange.
Aurora schauderte. Ekel überkam sie, und sie riß sich los. Wieder lachte Juan hämisch.
»Dummes Ding! Glaubst du wirklich, daß du mir so leicht entkommst? Ich nehme dich, wann immer ich will, und du kannst nichts dagegen unternehmen. Oh, wie Salvador leiden wird, wenn er davon erfährt!« Dann griff er Aurora an die Brust. »Ich kann es kaum erwarten. Doch zuerst« – er betastete ihren Bauch – »muß das weg! Ich will nicht, daß uns Salvadors Kind im Weg ist.«
Aurora war schockiert. Was meinte Juan damit? Nein! O nein! Er konnte doch nicht vorhaben, ihr Baby zu töten. Nicht einmal der Marqués konnte so ein Scheusal sein.
»Bastardo! « fauchte sie erbost. »Wenn du es wagst, mich zu berühren oder meinem Kind etwas anzutun, wird Salvador dich umbringen!«
»Das glaubst du wohl, was? Wir werden ja sehen, was passiert, Schätzchen. Wir werden’s ja sehen.«
Als der Marqués die Tür hinter sich geschlossen und verriegelt hatte, sank Aurora zu Boden. Sie zitterte vor Angst und Verzweiflung. Die lange Reise nach Belém war eine körperliche und psychische Tortur für sie gewesen. Die ganze Zeit hatte sie nicht nur Césars Anzüglichkeiten und Annäherungsversuche ertragen müssen, sondern auch die von Ernesto und Andrés. Allein Ricardo hatte verhindert, daß Aurora von seinen brutalen Kameraden vergewaltigt worden war, und sich sogar für die Entführung entschuldigt.
Die Reise hatte sie sehr erschöpft; sie war wie betäubt vor grenzenloser Furcht. Ihr Körper, von der Schwangerschaft geschwächt, brauchte Ruhe.
Mühsam richtete sich Aurora auf. Sie preßte eine Hand in ihre Seite, wo plötzlich ein starker Schmerz tobte. Es war ein Wunder, daß sie bei den Torturen, die sie hatte erleiden müssen, ihr Kind nicht verloren hatte. Juan wollte ihr das Kind nehmen … Sie würde eher sterben, bevor sie das zulassen
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