Dornen der Leidenschaft
wünscht ihm seit je den Tod. Großer Gott, Storm! Juan hat Aurora entführt; dessen bin ich mir ganz sicher! Geh mit Chance zurück ins Hotel. Ich komme bald nach.«
»In Ordnung«, stimmte Storm zu, obwohl sie vor Neugier fast platzte.
Es war ein leichtes für El Lobo, Juans Männern zu entwischen. Er hatte in der Vergangenheit schon viel gerissenere Männer abgeschüttelt. Er hörte noch die verwirrten Rufe seiner Verfolger, als er auf den Balkon des Hotels kletterte. Er preßte sich flach gegen die Hauswand und näherte sich langsam dem Zimmer, in dem, wie er herausgefunden hatte, Juan Aurora gefangenhielt.
Durch die offenen Fenster belauschte El Lobo, wie sein Cousin die blinde, hilflose Frau über Storm ausfragte.
»Es war so, wie sie gesagt hat«, wimmerte Aurora. »Auch, wenn Sie mich noch mehr schlagen, Don Juan, ich kann Ihnen nicht mehr als das sagen.«
Ein lauter Schrei folgte dieser Bemerkung, als ob der Marqués sie wirklich geschlagen hätte. El Lobo biß sich auf die Lippe. Er mußte an sich halten, um nicht sofort durch das Fenster ins Zimmer zu springen und Salvadors Frau zu retten. Er wollte Juan nicht töten – zumindest nicht, bevor er herausgefunden hatte, ob Salvador noch am Leben war. Wenn der Marqués seinen Halbbruder umgebracht hatte, würde er dafür büßen müssen.
»Don Salvador?« flüsterte eine Stimme.
El Lobo drehte sich blitzschnell um, zog beide schwarz glänzenden Pistolen und zielte auf Mario, der vor ihm stand.
»Verzeihen Sie mir, Señor.« Mario starrte auf die Pistolen. »Es war mein Fehler. Ich dachte – ich dachte, Sie seien jemand anders.«
»Don Salvador«, keuchte El Lobo. »So haben Sie mich genannt, oder? Macht Sie das zu meinem Freund oder Feind?«
»Zu Ihrem Freund, Señor, wenn Sie auch auf Don Salvadors Seite stehen«, sagte Mario. »Zu Ihrem Feind, wenn Sie ein Komplize dieses Teufels da drinnen sind, der die Doña Aurora quält.«
»Sie sind beide Verwandte von mir«, entgegnete El Lobo, »aber Don Juan ist nicht mein Freund.«
»Verwandte? Sangre de Cristo! Dann erlauben Sie mir, mich vorzustellen, Señor. Ich bin Mario Nuñes, ein Freund von Don Salvador, Ihnen zu Diensten. Sie sind der, den man El Lobo nennt, nicht wahr? Kein Wunder, daß ich Sie mit Don Salvador verwechselt habe. Sie sehen sich sehr ähnlich, von den Augen abgesehen. Er hat mir von Ihnen erzählt, Señor.«
Langsam senkte El Lobo die Waffen und steckte sie zurück in die Halfter. Dann streckte er Mario seine Hand entgegen.
»Kommen Sie«, sagte er. »Ich glaube, es gibt viel zu besprechen.« Als Mario seine Geschichte fertig erzählt hatte, schwieg El Lobo so lange, daß sich Mario mit einem Räuspern in Erinnerung brachte.
»Sollen wir – sollen wir hineingehen, Señor?« fragte er.
»Nein.« El Lobo schüttelte den Kopf. »So sehr mich die Vorstellung quält, daß Doña Aurora auch nur noch eine Minute mit diesem Scheusal verbringen muß, sind wir es Salvador doch schuldig, auf seine Ankunft zu warten. Aus dem, was Sie sagen, ist zu schließen, daß er bald eintreffen muß – wenn Ihr Freund Bernardo ihm die Nachricht überbringen konnte.«
»Oh, da bin ich mir sicher, Señor. Bernardo ist ein wahrer Freund. Er würde mich nie enttäuschen.«
»Also werden wir warten«, entschied El Lobo. »Es ist Salvadors Rache. Ich will ihm diesen Triumph nicht nehmen. Außerdem ist Juan im Augenblick zu gut bewacht, als daß wir ihn überwältigen könnten. Und es ist zu gefährlich, solange er Doña Aurora gefangenhält; sie könnte in der Hitze des Gefechts verletzt werden. Ich will nicht derjenige sein, der für den Tod von Salvadors Frau verantwortlich ist.«
»Ich verstehe, Señor.«
»Wir werden sie beobachten und darauf achtgeben, daß sich Auroras Situation nicht verschlechtert«, fuhr El Lobo fort und lächelte in einer Art und Weise, die Mario erschreckte.
Juan spähte nervös den langen Korridor des Hauses entlang, das er gemietet und in das er Aurora gebracht hatte. Für das, was er plante, war das Hotel zu belebt gewesen. Er hatte Storm angelogen, indem er ihr erzählt hatte, daß er und Aurora Matamoros verlassen würden.
Er versuchte sich einzureden, daß sein Zittern von der Malaria herrührte, die ihn immer noch plagte. Doch das war nur teilweise wahr. Vor allem zitterte Juan vor Angst. Obwohl das Haus wie eine Festung war, mit Wachposten an jeder Ecke, hatte es trotzdem jemand geschafft einzudringen. Andrés war tot. Sie hatten die Leiche vor zwei Tagen
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