Dornen der Leidenschaft
hatte, daß er machtvolle Freunde habe.
Und wenn ich heute fertig mit dir bin, dann wirst du mich anflehen mich zu heiraten, bevor jemand erfährt, daß du ein gefallenes Mädchen bist.
Natürlich hätte Sor Patrocinio behauptet, daß Aurora versucht hätte, sie – eine Nonne! – auch zu verführen. Dann hätte nicht einmal die Königin ihren Ruf retten können, und sie wäre der Gnade ihrer Feinde ausgeliefert gewesen. Ja, sie hätte Juan bitten müssen, sie zu heiraten, hätte Sor Patrocinios Annäherungen über sich ergehen lassen müssen – nur, damit die beiden ihr Schweigen bewahrten und damit sie nicht als Hexe gehenkt oder verbrannt wurde.
Sor Patrocinio betrat das Zimmer und schloß lautlos die Tür. Mit einem Blick erkannte sie, was geschehen war.
»Ich habe ihn vor dir gewarnt«, sagte die Nonne und kam langsam heran. »Ich habe recht gehabt, du hast es geschafft, dich zu retten. Oder etwa nicht?« Sie lachte kurz auf. »Ist ja auch egal. Ich bin nicht so dumm wie Don Juan. Wenn du noch eine Jungfrau bist, dann freut mich das um so mehr.«
Die Nonne leckte sich die Lippen. Mit den Fingern fuhr sie zärtlich und nervös über das ungewöhnlich große Holzkreuz, das ihr an einer Kette um den Hals hing. Entsetzt erinnerte sich Aurora daran, was der armen, toten Blanca passiert war. Anscheinend stimmte es wirklich, daß die Nonne das Kruzifix als Instrument benutzte. Was für ein Sakrileg!
Die Nonne streckte die Hand aus.
»Gib mir den Schlüssel, Doña Aurora«, flüsterte sie mit lüsterner Stimme.
»Nein«, antwortete das Mädchen entsetzt, »nein.«
»Du kannst nicht fliehen«, meinte Sor Patrocinio. »Schau nur, Don Juan kommt schon wieder zu sich. Gegen uns beide kommst du nicht an.«
Aurora bemerkte, daß das stimmte. In ihrer Verzweiflung suchte sie das Zimmer nach einer Art Waffe ab. Unauffällig trat sie näher zum Kamin heran, wo eine schwere Feuerzange aus Messing lag.
»Gib mir den Schlüssel, du Hure!« zischte die Nonne noch einmal und kam auf Aurora zu.
Außer sich vor Entsetzen packte das junge Mädchen die Feuerzange und schlug sie Sor Patrocinio über den Kopf. Die Nonne brach lautlos zusammen.
Aurora wußte, daß sie keine Zeit verlieren durfte. Sie zog der bewußtlosen Nonne den Schleier und den schwarzen Umhang aus und schlang ihn um sich. Jetzt würde niemand erkennen, in was für einem fürchterlichen Zustand sie sich befand.
»Du Hexe!« flüsterte die Nonne, die aus der Ohnmacht erwachte. »Du Teufelsbraut! Dafür wirst du bezahlen!« Dann wurde sie wieder ohnmächtig.
Es war höchste Zeit. Juan versuchte, sich stöhnend aufzurichten. Ohne sich noch einmal umzuschauen, verließ Aurora den Salon, schloß die Tür und entfernte sich so eilig, als wäre der Teufel persönlich hinter ihr her.
14. KAPITEL
Sie durfte keine Zeit verlieren. Sie lief zu den Ställen und verlangte nach einem Pferd. Bald würden Don Juan und Sor Patrocinio der Königin ihre völlig verfälschte Version dessen erzählen, was heute passiert war. Und Isabella würde ihnen Glauben schenken müssen, ob sie das wollte oder nicht. Die freundliche Königin war zu religiös, um einen Überfall auf eine Nonne – gerechtfertigt oder nicht – zu billigen. Aurora mußte sofort fliehen.
Sie war in ihr Zimmer gestürmt, in dem sich zum Glück keine ihrer Freundinnen aufhielt, hatte eilig ihre Reitkleidung angezogen und ihren Geldbeutel und das Schmuckkästchen in eine Tasche gepackt. Alles andere hatte sie zurücklassen müssen. Wenn ihre Habseligkeiten nicht konfisziert wurden, würde ihr Mädchen Lupe sie ins Stadtpalais in Madrid bringen.
Als ein Stallknecht ihr das Pferd brachte, hoffte sie, daß sie keine vorschnelle Entscheidung getroffen hatte. Im Hügelland saßen die Rebellen, und sie wußte nicht, ob es ihr gelingen würde, Madrid ohne Begleitschutz zu erreichen. Alles mögliche konnte passieren. Sie konnte ausgeraubt, vergewaltigt oder sogar von bandoleros oder guerrilleros getötet werden. Sie mußte es dennoch versuchen.
Aurora war eine ausgezeichnete Reiterin. Sie gab dem Pferd die Sporen, und es galoppierte los.
Doña Gitanas altes, stolzes Gesicht war sehr ernst, als sie ihrer Enkelin zuhörte. Obwohl Aurora es geschafft hatte, die Zuneigung der Königin zu erlangen, war letzten Endes doch alles vergeblich gewesen. Sie war der Bösartigkeit von Don Juan und Sor Patrocinio nicht gewachsen gewesen. Es war ohnehin ein Wunder, daß sie Madrid lebend erreicht hatte.
»Felipe« –
Weitere Kostenlose Bücher