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Dornenkuss - Roman

Dornenkuss - Roman

Titel: Dornenkuss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: script5
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von Mahren haben? Gleichzeitig liebte ich einen von ihnen. Das konnte man nicht in ein, zwei Sätzen erklären. Aber wenn ich mich für eine einfache Antwort hätte entscheiden müssen, wäre sie in der Tat nicht außerordentlich positiv ausgefallen.
    Doch viel wichtiger: War ihm klar, mit wem er es zu tun hatte? Oder galt die Existenz von Mahren in diesem Land als ein bekanntes und geduldetes Übel? Nein, Letzteres wäre ebenfalls einem sehr surrealen Traum zuzuordnen. Ich war zweifelsohne wach. Und das wiederum bedeutete, dass …
    »Ich weiß, wer du bist«, erriet Angelo meine Gedanken. »Du …«
    »Und ich weiß es auch«, tönte eine mir äußerst vertraute, dunkelsamtige Stimme aus den Palmen. Wie eine düstere Höllenerscheinung trat Colin durch das Grün zu uns, um mir mit ausgestreckter Hand zu bedeuten, mich von ihm hochziehen zu lassen. Er wirkte weder eifersüchtig noch aufgebracht, aber auch nicht so, als könne ich mit ihm über seine Entscheidung diskutieren. Es wäre zudem nicht der richtige Zeitpunkt für Streitgespräche gewesen.
    Ich hatte keine Ahnung, was nun geschehen würde. Es war das erste Mal, dass ich ein Zusammentreffen zweier Mahre ohne kriegerischen Hintergrund erlebte, aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie sich gegenseitig zu einem Bier einladen und Brüderschaft trinken würden. Angelo und ich standen dicht beieinander, nachdem ich mich aufgerappelt hatte, ohne Colins Hilfe anzunehmen, und blickten diesen schwarz gewandeten Hünen vor uns an; ich mit Fäusten in den Hosentaschen, Angelo entspannt und freundlich.
    »Hallo, Colin«, sagte er höflich und wollte ihm die Hand reichen, doch Colin nahm sie nicht. Stattdessen berührte er mich leicht am Ellenbogen, eine beiläufige Geste, die jedoch ganz klar zeigen sollte, dass ich sein Revier war.
    »Gute Nacht, Angelo.« Colins Tonfall klang nach wie vor nicht aggressiv, aber endgültig. Gute Nacht, Angelo, für immer und ewig, du wirst meine Freundin niemals wiedersehen. »Komm, Ellie, wir gehen.«
    »Wir gehen? Aber der Abend hat doch erst angefangen!«
    »Wir gehen«, wiederholte Colin in deutlich gedrosselter Lautstärke und gerade das war es, was seinen Worten ihren hypnotischen Nachdruck verlieh. »Ich muss etwas mit dir besprechen.«
    Ich hatte keine Gelegenheit mehr, mich zu Angelo umzudrehen, weil ein eisiger Windhauch mich nach vorne trieb. Solche Tricksereien hatte Colin lange nicht mehr angewendet; bei unserem Kennenlernen waren sie gang und gäbe gewesen. Spinnenüberfälle, Ohnmachten, Amnesien.
    »Ciao!«, rief ich Angelo mit schwerer Zunge zu.
    »Ciao, ihr beiden. Ich bin morgen übrigens wieder hier, falls …«
    Seine letzten Worte gingen in dem Rauschen meines Kopfes unter, einem schmerzlosen Rauschen, und dennoch stemmte ich mich stur dagegen. Morgen wieder hier. Angelo ist morgen wieder hier … morgen wieder hier …
    Ich kam erst zu Sinnen, als Colin die Tür zu seinem Wagen öffnete.
    »Wo sind die anderen?«, lallte ich vorwurfsvoll.
    »Die nehmen ein Taxi. Steig ein!«
    »Hör mal, du kannst dich nicht aufführen wie ein besitzergreifender Ehemann, das war in deinem Jahrhundert vielleicht üblich, aber ich akzeptiere so etwas nicht! Ich entscheide selbst, wann ich nach Hause gehe und wann nicht, klar?«, bellte ich und hörte mich trotz meiner Streitlust lahm und schläfrig an.
    Colin tat so, als habe er mich nicht gehört, und blieb abwartend und mit blitzenden Augen neben der offenen Autotür stehen. Schnaufend arbeitete ich mich auf den Beifahrersitz hoch, der mir erschien wie der Watzmann, steil und unbezwingbar, doch beim dritten Anlauf schaffte ich es. Zum Schimpfen war ich zu müde, obwohl mir einige derbe Flüche auf der trägen Zunge lagen. Ich wusste, dass ich verlieren würde. Meine Arme und Beine reagierten schon nicht mehr auf meine Wünsche.
    Sobald Colin losgefahren war, rutschte meine Wange gegen den kühlen Anschnallgurt und ich fiel in einen tiefen, leeren Schlaf.

I N ALLER F REUNDSCHAFT
    »Das ist eine Entführung!«
    Ich hatte einige Minuten gewartet und meine Zunge gründlich mit Spucke befeuchtet, nachdem ich wach geworden war, um entsprechend entrüstet zu klingen. Das Ergebnis war zufriedenstellend, doch für Colin blieben meine Empfindungen und Gedanken nicht der Rede wert. Er saß am Steuer, wie ich es von früher schon kannte, schweigend, den Blick auf die Straße, eine Hand auf dem Lenkrad, die andere auf seinem Knie, nicht auf meinem.
    »Wo bringst du mich hin? Was

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