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Dornenkuss - Roman

Dornenkuss - Roman

Titel: Dornenkuss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: script5
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übellaunig, dauermüde und noch empfindlicher als sonst. Erst nach einer großen Portion Spaghetti bolognese hatte ich mich einigermaßen wie ein Mensch gefühlt. »Ja, und dann hab ich wieder Fleisch gegessen, nicht übermäßig viel, doch es gehört dazu.«
    »Aber du magst Tiere, oder?«
    »Natürlich.« Neuerdings sogar Skorpione, Quallen und Schlangen. Und Angelos winzige Regenfrösche. »Du willst mir also sagen, es kommt ganz darauf an, was man isst?«
    »Ich will sagen, dass eine ausgewogene Ernährung wichtig ist. So wie wir essen, fühlen wir uns auch. Jemand, der hektisch und wahllos Essen in sich hineinstopft, ist selten ein ausgeglichener, zufriedener Mensch. Ich glaube, dass ich mich ausgewogen ernähre und von dem nehme, was ich brauche.«
    »Angelo, ich möchte dich ja nicht in Grund und Boden reden, aber du raubst den Menschen Träume!« Ich wollte vorwurfsvoll klingen und es war mir sogar einigermaßen geglückt.
    Ihn konnte es jedoch nicht aus der Ruhe bringen. »Ja, Träume, ein nachwachsender Rohstoff.«
    Ich lachte spöttisch auf, doch Angelos sanfter Blick erstickte es. Er meinte das so, wie er es sagte! Ein nachwachsender Rohstoff …
    Ich schüttelte hitzig den Kopf. »Nein, so einfach ist das nicht … Wenn Mahre ein Opfer ständig aussaugen, wird es depressiv und krank und irgendwann hat es gar keine Träume mehr!«
    »Wer sagt denn, dass ich das tue? So etwas reizt mich nicht. Aber wenn wir schon dabei sind, von wegen nachwachsender Rohstoff und so. Hast du dir mal Gedanken über die Massentierhaltung gemacht? Täglich werden Zigtausende Schweine und Rinder von A nach B gekarrt, unzählige Kilometer quer durch Europa, zusammengepfercht auf engstem Raum, um zu sterben, nur damit ihr täglich eure Currywurst in euch reinstopfen könnt.«
    Angelo sprach nicht ansatzweise feindselig mit mir, sondern in einem friedlichen, sympathischen Ton. Für ihn war das kein Streitgespräch, es war eine Chance, sich zu erklären. Ob ich mochte, was er sagte, oder nicht, war für ihn unerheblich. Wie er es selbst erwähnt hatte – er war mit sich im Reinen. Wieder kochte der Neid in mir hoch.
    »Ich esse keine Currywurst«, log ich verschnupft.
    »Jedenfalls raube ich nicht wahllos, ich wechsle die Menschen, zu denen ich nachts komme, meistens besuche ich sie nur ein einziges Mal. Ja, sie fühlen sich vielleicht am nächsten Morgen anders als sonst, sind schlechter gelaunt oder unerklärlich müde, aber das geht vorüber. Was ich anrichten könnte, wenn ich mich schlecht ernähren würde, würde niemals von selbst heilen können – das ist eine ganz andere Kragenweite!« Er brach ab und schüttelte den Kopf, als habe er all das nicht sagen wollen.
    »Rede weiter«, bat ich ihn. Doch er erfüllte meinen Wunsch erst nach zwei ausgedehnten Runden durch seinen Garten, die er offensichtlich brauchte, um seine Gedanken zu ordnen – wie ein Schüler, der während eines Referats ein Blackout erlitt.
    »Ich will nichts Schlechtes über Colin sagen, ich habe Respekt vor seiner Entscheidung und es ist beeindruckend, wie konsequent er sie durchzieht, aber ich habe es auch mal versucht und es macht mich zu einem Wesen, das mir selbst nicht geheuer ist. Es ist, als ob man die Kontrolle über sich verliert, zumindest war es bei mir so … Colin ist vielleicht stark genug, so zu leben. Ich bin es nicht.« Nun hörte er sich beinahe trotzig an.
    Ich fühlte mich wie überfahren, als ich über seine Worte nachdachte. Die Abstände werden kürzer, hatte Colin gesagt. Und der Hunger immer extremer. Es war eine Endlosspirale, deren Zirkel sich zunehmend verengten. Er führte sich nicht das zu, was er eigentlich brauchte. Wie sollte das je gut gehen?
    Und es stimmte, was Angelo andeutete: Nachdem Colin sich meine Erinnerung genommen hatte, hatte er sich wochenlang menschlicher angefühlt als in der ganzen Zeit davor. Er hatte sogar noch davon gezehrt, als ich zu ihm nach Trischen gekommen war, und sie mir ganz bewusst nicht zurückgegeben, weil er für mich weniger dämonisch als sonst erscheinen wollte. All diese schrecklichen Dinge zwischen ihm und mir wären möglicherweise nie passiert, wenn er nur ein Mal bei einem Menschen geraubt hätte, nicht bei mir, sondern bei einem Fremden. Wie hatte ich eigentlich so leichtsinnig sein und ihm meine Erinnerung anbieten können?
    Dann der Kampf gegen François: Hätte er ihn vielleicht ganz anders angehen können, wenn er sich vorher angemessen gestärkt hätte, anstatt

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