Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dornenkuss - Roman

Dornenkuss - Roman

Titel: Dornenkuss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: script5
Vom Netzwerk:
eine Betty Blue?« Vielleicht konnte ich sie mit einer Wissensfrage ablenken; sie kannte sich ja bestens aus in Literatur, Film und Theater. Doch sie lachte nur auf, kopfschüttelnd, ein verächtliches, hässliches Lachen, das ich mir nicht länger anhören wollte. Also gab es keine Betty Blue und sie fand den Namen offensichtlich scheußlich.
    Plötzliche Geräusche aus dem Flur lenkten uns voneinander ab: Stimmen, ein kurzes Rumpeln, als würde jemand etwas Schweres abstellen, Schritte. Wir wendeten gleichzeitig den Kopf zur Tür.
    »Oh, Gott sei Dank, du bist wieder da …«, seufzte Gianna, als Paul zu uns in die Küche trat. Er sah erledigt aus. Das Shirt klebte an seinem Rücken und seine Haare waren verschwitzt. Gianna war sofort bei ihm, schmiegte sich Schutz suchend an seine breite Brust. Er nahm sie fest in die Arme.
    »Ist ja gut. Tut mir leid, wir sind in einen Stau geraten, es ging nicht schneller. Jetzt bin ich hier.«
    »Habt ihr alles bekommen?«, flüsterte Gianna in sein Ohr. Sie brauchte nicht zu denken, dass ich sie nicht hörte. Ich hörte jede Silbe.
    »Warst du jetzt noch einkaufen?«, fragte ich meinen Bruder verständnislos. »Wir haben doch genug da.«
    Paul und Gianna warfen sich einen Blick zu, ohne zu antworten. Sie verheimlichten mir etwas, heckten etwas aus. Was war nun wieder im Busch? Was sollte das? Verdammt noch mal, warum bekam ich immer mehr das Gefühl, dass sie mich von fast allem ausschlossen?
    »Geh schlafen, Ellie«, sagte Paul autoritär. »Es ist spät.«
    »Ich bin nicht müde. Ich will noch ein bisschen draußen herumlaufen.« Es wurde doch jetzt erst langsam kühler.
    »Geh schlafen, hab ich gesagt!«
    Nein. Nein, eine solche Behandlung musste ich mir nicht gefallen lassen – es war nicht in Ordnung, dass er grundlos derart dominant mit mir umsprang. Ich kümmerte mich nicht mehr um die beiden; sollten sie doch ihre Pläne schmieden und hinter meinem Rücken über mich reden. Ich konnte es ihnen sowieso nicht recht machen. Erst hielt Paul mir vor, dass ich mich überidentifizierte, nun war ich dagegen angegangen und hatte gehandelt, anstatt mich auf die gleiche Ebene wie Gianna und Colin zu begeben, und es war auch nicht in Ordnung. Und Gianna? Sie hatte mir einreden wollen, dass die Beziehung mit Colin keine Basis habe und ich zu viel investiere, zu viel gebe. Jetzt aber, als ich endlich mal vernünftig geblieben war, warf sie mir seelische Kälte vor. Was wollten sie eigentlich? Ich hatte ein reines Gewissen; ich hatte Louis gerettet und das war ein gutes Gefühl. An diesem guten Gefühl hielt ich mich fest, ruhig atmend und darauf konzentriert, an nichts zu denken, bis meine Wut klein beigab und verschwand.
    »Komm nie wieder«, flüsterte ich. »Nie wieder. Ich brauche dich nicht mehr.«
    In dieser Nacht ließ ich meine Läden weit offen. All die Geschöpfe der Finsternis waren mir willkommen. Von meinem Bett aus sah ich die Geckos über die Decke der Terrasse wandern, wenn das Wetterleuchten uns allen tausendfache Schatten bescherte.
    Noch war nichts zu spät, nichts verloren. Wir würden unsere zweite Chance bekommen. Wir konnten noch einmal ganz von vorne anfangen, ohne Zeitdruck und innere Kämpfe, ohne Angst.
    Er würde es genauso wollen wie ich. Ich musste nur warten.
    Nichts anderes würde ich mehr tun.
    Nur warten, bis er bereit war, sich mir hinzugeben.

37,2   G RAD AM M ORGEN
    Es war, als hätt’ der Himmel die Erde still geküsst …
    Ich hatte die ganze Nacht nicht schlafen können, hatte nur mit offenen Augen dagelegen und geträumt, wurde nicht müde dabei, sondern wacher und reiner. Ich wog nichts mehr. Ich fühlte mich schwerelos, als ich hinunter zum Strand lief und auf den Anbruch des neuen Tages wartete, die nasse Kühle des Sandes zwischen meinen Zehen und Mücken überall, die zärtlich an meiner Traumhaut tranken. Es war nicht mein Plan gewesen herzukommen. Ich fand mich nur hier wieder, weil ich nicht schlafen konnte, wie jede Nacht, keine Strafe, sondern eine Gnade.
    Und so saß ich, zufrieden mit mir selbst, die Füße im Kies, das Herz pochend.
    Dann der Sonnenaufgang über dem glatten Wasser; ein rotes, pulsierendes Ungetüm. Zwei Schiffe kreuzten sich, weit, weit draußen, und ich bestand nur noch aus seinem Namen, einem einzigen mächtigen Wort.
    Ich wollte es nicht teilen. Das hier war für mich alleine. Ich musste nicht denken, nicht darüber reden, es nicht bewerten, nicht beschreiben, was man ohnehin sah, sondern durfte still

Weitere Kostenlose Bücher