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Dornenkuss - Roman

Dornenkuss - Roman

Titel: Dornenkuss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: script5
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schüttelte meine Arme aus, um mich wieder zur Besinnung zu bringen. Ein Computer mit Internetzugang wäre die Lösung gewesen, einmal Thira in Google eingeben und schon wüsste ich Bescheid. Aber entsann ich mich überhaupt noch, wie man einen Computer zum Laufen brachte und sich ins Netz einloggte? Ich war mir nicht sicher. Hatte ich denn je einen PC besessen? Wo hatte sich mein Arbeitsplatz befunden? Wie hatte mein Zimmer ausgesehen?
    »Nicht wichtig, Betty Blue«, wies ich mich zurecht. Meine Beine wurden unruhig, sie wollten sich wieder ausstrecken, mein ganzer Körper wollte sich ausstrecken und in jenen Dämmerzustand zurückkehren, den ich ihm während Angelos Jagdzügen Nacht für Nacht geschenkt hatte, irgendwann zwischen Mondaufgang und dem Morgengrauen. Doch damit würde er sich gedulden müssen; das, was ich vorhatte, war wichtiger und würde ihm unendliche Entspannung verheißen.
    Wo suchte man, wenn man etwas herausfinden wollte? Der Computer fiel weg; selbst wenn ich einen gehabt hätte, hätte ich nichts mit ihm anfangen können. Meine Augen hätten sich seinem flimmernden Bildschirm sowieso verweigert. Aber da gab es noch etwas – es gab etwas … Bücher! Meine Güte, das hat aber gedauert, schalt ich mich in einem kurzen klaren Moment. Bücher. Lexika. Enzyklopädien. Es warteten genug davon, und zwar in Angelos Haus, zu dem ich einen Schlüssel hatte.
    Ich machte mich sofort auf den Weg. Meine Muskeln rebellierten gegen die spätnächtliche Anstrengung, sie verstanden nicht, warum sie nicht ruhen durften. Mein rechtes Knie knackte bei jedem Schritt, meine Bewegungen blieben steif und ungelenk und ein paarmal musste ich stehen bleiben, weil ich Wadenkrämpfe bekam. Dann stützte ich mich zitternd auf fremde Gartenmäuerchen, mit stöhnendem Atem und bleischweren Lidern, und wartete, bis der Schmerz vorbeiging.
    In Angelos Garten tauchte ich erst einmal meinen Kopf in den Pool, um zur Besinnung zu kommen, denn der Schwindel hinter meinen Augen wurde immer stärker. Es war ein erbitterter Kampf mit all meinen Wünschen und Bedürfnissen, an den einladenden, breiten Liegen und ihren unzähligen Kissen vorüberzuschreiten, ohne mich auf sie zu legen. Ich ging gebückt und steif wie eine alte Frau, mit winzigen Trippelschritten, doch irgendwann schaffte ich es, die Bibliothek zu betreten und mich flatternden Blickes umzusehen.
    Die Nachschlagewerke fand ich rasch, eine mehrbändige deutsche Enzyklopädie, ganz oben. Die Leiter schwankte unter meinen nackten Füßen, weil ich mein Gleichgewicht kaum mehr ausbalancieren konnte. Tragen können würde ich den Band mit den Buchstaben R bis Z nicht, er war zu wuchtig, ich konnte ihn nicht einmal vernünftig aus dem Regal ziehen. Kurzerhand schlug ich mit dem Ellenbogen von oben dagegen, bis er polternd zu Boden stürzte, bevor ich mich von der Leiter fallen ließ und unsanft auf den Fliesen landete.
    »Thira«, flüsterte ich vor mich hin, als ich von Gähnkrämpfen geschüttelt zu blättern begann. »Thira …« Kein Eintrag unter Tira ohne h. Ich suchte weiter vorne im Alphabet, Thira mit h … »Also doch.«
    Es gab ein Thira. Ich musste ununterbrochen blinzeln, um den Eintrag lesen zu können, weil sich immer wieder ein milchiger Belag auf meiner Netzhaut bildete. Außerdem waren die Buchstaben winzig.
    »Thira, auch Santorin transkribiert.« Was bedeutete transkribiert? Hatte ich das mal gelernt? Na, es konnte so entscheidend nicht sein. »Kleines Inselarchipel der westlichen Kykladen vulkanischen Ursprungs.« Und was, bitte, waren die Kykladen? Kykladen … So schlecht war ich in der Schule nicht gewesen, das musste ich wissen! Ich bohrte den Daumennagel in meine Handfläche, um weiterdenken zu können. Griechenland vielleicht? Griechische Inseln? Doch, Kykladen klang griechisch. Oh nein, warum Griechenland, das war zu weit weg! Ich befand mich zwar am Ionischen Meer, auf Kalabriens zu Griechenland gewandter Seite, aber bei dieser Distanz handelte es sich um Entfernungen, die ich schwimmend niemals zurücklegen konnte. Noch nicht. Und der Anrufer hatte »schnell« gesagt. Gebieterisch oder bittend? Auch daran konnte ich mich nicht erinnern.
    Jedenfalls sollte ich mir schleunigst überlegen, wie ich dorthin gelangen konnte. Und ich sollte den schweren Band wieder zurück ins Regal stellen. Die Bibliothek war Angelo wichtig, hier befanden sich seine Noten und ich wollte nicht den Eindruck erwecken, schamlos darin gewühlt zu haben. Ich sehnte mich

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