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Dornenkuss - Roman

Dornenkuss - Roman

Titel: Dornenkuss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: script5
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beschleunigen. An der Tankstelle überprüften zwei aufgeregt palavernde Männer die Benzinsäulen und in den Häusern sprangen die Lichter an, ansonsten war alles ruhig, kein Schreien, keine Sirenen. Es war ein leichtes Beben gewesen und wahrscheinlich hatte es nicht länger als wenige Sekunden gedauert; die Menschen hier schienen das bereits zu kennen.
    Trotzdem waren auch in der Piano dell’Erba Leute wach geworden und streiften durch ihre Gärten, um sich ein Bild von dem zu machen, was mit ihrem Zuhause geschehen war. Ich grüßte sie, jeden Einzelnen, so mühselig es auch war zu sprechen. Sie grüßten nicht zurück. Lag es an ihrer Aufregung? Es herrschte zwar keine Panik, aber in diesen Minuten hatte jeder mit sich und seinem Schrecken zu tun. Menschen konnten sterben.
    Ich hatte nur eine Sorge: die Schlange. Alles andere war mir egal. Das Haus war ein Haus, mehr nicht, ich brauchte es nicht, aber die Schlange bekam Junge, der schmale Spalt, in dem sie brütete, musste heil bleiben. Ohne das Außenlicht einzuschalten – ich hatte es schon lange deaktiviert, weil es mich störte –, schob ich meine Hand in die kleine Höhle hinter dem Duschbeckenrand und wanderte mit den Fingern tastend die bröckelige Wand entlang. Auch in diesem Versteck war Staub herabgerieselt, der Boden war bedeckt davon, doch die Schlange fand ich nicht. Ich konnte nicht alles absuchen, denn weiter als bis zum Ellenbogen konnte ich meinen Arm nicht in die Höhle stecken, geschweige denn hineinsehen. Ich hoffte inständig, dass die Viper das Beben lange vor mir gespürt und sich in eine sichere, geschützte Ecke verzogen hatte.
    Zu gerne hätte ich der Versuchung nachgegeben, mich in die Duschwanne zu legen und schlummernd und träumend zu warten, bis Angelo zurückgekehrt war, doch dieses Refugium hatte ich schon vor Tagen der Schlange überlassen, sie hatte ihre Ruhe nötig. Ich selbst duschte nach dem Baden sowieso nicht mehr; ich hatte mich an das Salz des Meeres gewöhnt und trug es gerne auf meiner Haut, silbrige Kristalle, die in der Sonne glitzerten.
    Widerwillig ging ich ins Haus, wo fast alles unversehrt geblieben war, lediglich ein paar Schranktüren hatten sich geöffnet, ohne dass etwas herausgefallen war. Und nun? Hinlegen und auf die Sonne warten oder meine Reise nach Santorin organisieren? Es fiel mir schon schwer, das Wort »organisieren« zu denken; die Vorstellung, es umzusetzen, überschwemmte mich mit lähmender Unlust. Wann immer ich entscheiden wollte, etwas zu tun, drifteten meine Gedanken davon, bis mein Kopf sich anfühlte, als sei er mit Watte gefüllt. Trotzdem schlurfte ich gähnend von Zimmer zu Zimmer, um ein Handy zu suchen, denn mein eigenes war ausgeschaltet und an die PIN konnte ich mich nicht mehr erinnern.
    Ich labte mich heimlich an der Vorstellung, keines zu finden und endlich ruhen zu können, als ich oben im Dachzimmer ein Gerät entdeckte. Es lag mit dem Display nach unten neben dem Bett, als wäre es jemandem versehentlich dort hinuntergefallen. Die Tastatur war nicht gesperrt. Wie man sie entriegelte, hätte ich sowieso nicht mehr gewusst.
    Bis zum Sonnenaufgang telefonierte ich. Es war eine Odyssee. Erst die Auskunft, die nicht kapierte, dass ich einfach nur wissen wollte, wo sich in Kalabrien Flughäfen befanden und dass sie mich mit ihnen verbinden sollte, dann Warteschleife beim Flughafen Lamezia Terme, stundenlang, wie es mir vorkam, schließlich die Nachricht, dass es keine Direktflüge gebe, nur über Rom, ich solle es doch in Reggio Calabria versuchen, doch das wollte ich nicht, von mir aus keinen Direktflug, wenn sie nur endlich ein Ticket für mich buchen würden. Mein Italienisch war gut genug, um mich zu verständigen, doch ich wusste auf einmal meinen Namen nicht mehr, Elisabeth, aber weiter? Wie weiter? Die Frau am anderen Ende der Leitung glaubte, ich würde mir einen Scherz mit ihr erlauben, als ich ihr Betty Blue vorschlug, bis er mir endlich einfiel, Sturm. »Sturm!«, rief ich in den Hörer, bevor eine neue Woge meine Gedanken mit sich riss und ich minutenlang nicht sortieren konnte, was die Frau sagte, und sie immer wieder nachfragte, ob ich noch da sei. »Signora!«, schallte ihre Stimme aus dem Hörer. »Signora? Tutto bene?« »Tutto bene«, lallte ich. Sie blieb dran, obwohl ich immer wieder in ein schwarzes leeres Nichts fiel, und als die ersten hellen Streifen durch meine Fensterläden fielen, hatte ich einen Flug nach Rom gebucht und einen weiteren nach Santorin,

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