Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dornenkuss - Roman

Dornenkuss - Roman

Titel: Dornenkuss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: script5
Vom Netzwerk:
Sehnsucht und mein Kopf erbittert miteinander stritten, aß ich in langsamen Bissen meinen Teller leer, beglich die Rechnung und verließ das Restaurant. Ich trug keine Uhr mehr, ich hatte keine Ahnung, wie spät es war, doch in den Gassen wurde es ruhiger.
    Erst jetzt bemerkte ich die Hunde. Ich war kein ausgewiesener Hundefreund; Rossinis Rettung war eine notwendige Maßnahme gewesen und mein Herz hatte danach verlangt, er konnte schließlich nichts für sein schauderhaftes Herrchen und war bei Herrn Schütz gut aufgehoben, aber eigentlich war ich eher den Katzen zugeneigt. Doch diese Tiere sahen mich anders an als die Hunde, die ich bisher kennengelernt hatte.
    Sie lebten offensichtlich wild, obwohl sie wohlgenährt wirkten; keiner von ihnen trug ein Halsband und sie bildeten kleine Rudel. Niemals bellten oder knurrten sie, sie wichen den Menschen umsichtig aus, schliefen am Rande der Gasse oder auf den kleinen Mäuerchen, manchmal auch auf den Dächern der weiter unten liegenden Häuser. Obwohl es sich bei allen um waschechte Promenadenmischungen handelte, strahlten sie einen würdevollen Stolz aus, den ich einem Hund niemals zugetraut hätte.
    Ich setzte mich auf eine Mauerkante und ließ die Beine baumeln. Das kleine Rudel, bestehend aus einem alten grauen Schäferhundmix, dem Anführer der Gruppe, und vier undefinierbaren, kniehohen Kreuzungen mit langen Beinen und schmalen Köpfen, legte sich vor mir auf den Weg, die Schnauzen auf den Pfoten, und wartete. Ihre braunen, sanften Augen blieben geöffnet, ihre Ohren lauschten. Worauf warteten sie? Ich versuchte, ihre geduldigen Blicke zu ergründen, und schreckte hoch, als eine menschliche Stimme mein Ohr streifte. Ein kurzes Lachen, dann ein Murmeln, das mir vertraut vorkam, doch als ich aufsah, blickte ich nur auf die Hinterköpfe einiger ältlicher, forsch marschierender Touristen, die Damen mit lila schimmernder Dauerwelle, die Herren kahl. Die Hunde aber hatten sich erhoben, um sich gähnend und japsend zu strecken. Auffordernd blickte der Leitrüde mich an.
    »Okay, ich soll also mitkommen, was?«, fragte ich dröge. Er drehte sich um und begann mit leicht schief gestelltem Hinterteil vorwärtszutraben, die anderen im Schlepptau. Mit einem ergebenen Achselzucken übernahm ich das Schlusslicht. Ich hielt Abstand, wenige Meter, es waren wilde Hunde, man musste vorsichtig bleiben. Einem einzelnen Hund konnte ich entfliehen; bei fünf Hunden würde es schwierig werden. Sie konnten mich totbeißen, wenn sie es darauf anlegten. Doch wann immer der Abstand zwischen ihnen und mir zu groß wurde, hielt der Schäferhund an, sah sich zu mir um und wartete hechelnd, bis ich zu ihnen aufgeschlossen hatte.
    Fühlende Wesen … Ich sollte mich unter fühlende Wesen mischen, hatte Morpheus gesagt. Er hatte gar nicht die Menschen gemeint. Er hatte die Hunde gemeint, die mich nun so treu und still durch die Nacht führten und am Ende des Ortes wie auf ein Kommando hin geschlossen nach links in einen kleinen Hotelhof abbogen. Wieder sah der Leitrüde mich an. Ein Hotel … Ich konnte doch nicht in ein fremdes Hotel eindringen!
    Vor dem offenen Törchen blieb ich unsicher stehen und äugte zu den Hunden hinüber. Sie hatten sich dicht nebeneinander zwischen zwei Liegestühle gelegt, die Köpfe wieder auf ihre Vorderpfoten gebettet, als wäre dies der richtige Platz, um ein Nickerchen zu halten. Unrecht hatten sie damit nicht. Es war kein Luxushotel mit bombastischem Pool und prachtvollen Außenanlagen, sondern überschaubar und ohne jeglichen Protz, das Schwimmbecken war klein und nicht allzu tief, die Liegestühle hatten keinen Designpreis verdient, die Zimmer waren vermutlich schlicht. Aber wer sich hier einquartierte, würde niemals das Bedürfnis verspüren, an einen anderen Ort der Insel zu reisen. Man konnte den ganzen Tag auf einem der weiß gekalkten Mäuerchen am Pool sitzen und aufs Meer blicken, ohne Langeweile zu verspüren oder das Gefühl zu bekommen, etwas tun und leisten zu müssen. Trotzdem blieb der Geist klar.
    Ich überwand meine höfliche Zurückhaltung, schritt durch das Tor in den Hotelgarten und setzte mich zu den Hunden. Der Leitrüde knurrte mich leise an.
    »Passt dir was nicht?«, flüsterte ich.
    Wieder knurrte er. Er hatte mich hierhin geführt und es war richtig, dass ich ihm gefolgt war, aber meine Aufgabe war es offensichtlich nicht, bei ihm zu sitzen. Worin bestand sie dann?
    Wir reckten gleichzeitig unsere Köpfe und spitzten die Ohren, die

Weitere Kostenlose Bücher