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Dornenkuss - Roman

Dornenkuss - Roman

Titel: Dornenkuss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: script5
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und Dir eine andere Wahrheit zu suchen, aber ich hoffe sehr, dass Deine Schwester erfindungsreich und halsstarrig genug war, um Dir zu zeigen, dass wenigstens wahr ist, was ich erzählt habe, auch wenn diese Erkenntnis die Geschehnisse der Vergangenheit nicht besser machen kann.
    Ich habe versucht, Dir ein guter Vater zu sein, und an meiner Liebe zu Dir gab es nie den geringsten Zweifel. Doch im Gegensatz zu Elisa hast Du die Veränderungen, die in mir vorgingen, miterlebt und mir nie wieder restlos vertraut, so wie früher, wenn ich Dich auf meinen Schultern tragen oder in die Luft werfen und auffangen konnte, ohne dass Du die geringste Angst verspürtest.
    Du warst zu klein, um Dich heute bewusst daran zu erinnern, doch Kinder haben feine Sinne und der Mann, der von der Schiffsreise zurückkehrte und Dich in den Arm nahm, war nicht der gleiche, von dem Du Dich verabschiedet hattest. Dein Vater hatte sich verändert. Immer öfter blieb ich tagelang weg, arbeitete die Nächte durch, machte mit Euch Urlaub in finsteren, abgelegenen Gegenden, damit Euch mein Hunger nicht in Gefahr brachte, der sich stets dann in mir erhob, wenn der Mond voll war oder die Sonne mir zeigte, was mit mir geschehen war. Das Haus hatte ich verdunkelt, mit wildem Wein vor den Fenstern und Jalousien überall; Deine Mutter und ich schliefen fast jede Nacht getrennt, obwohl wir uns immer liebten. Niemals habe ich Lust auf die Träume meiner Kinder verspürt, doch ich wollte kein Risiko eingehen. Also lebten wir in der Dämmerung, wo doch alles Leben das Licht braucht.
    Es tut mir leid, dass es so war und nicht anders sein konnte. Vielleicht hätte ich Dir einen größeren Gefallen getan, wenn ich tatsächlich verschwunden wäre. Diese Frage ließ mir niemals Ruhe. Denn immer wieder gab es Situationen, in denen Dein Misstrauen stärker wurde als Dein Vertrauen und ich darüber nachdachte, ob ein anderer Mann geeigneter für die Vaterrolle in dieser Familie wäre. Doch Deine Mutter – von ihr müsst Ihr Eure Sturheit geerbt haben – bestand darauf, dass ich blieb, weil sie der Meinung war, es könne für sie keinen besseren Mann und für Elisabeth und Dich keinen besseren Vater als mich geben.
    Elisabeth mag in Deinen Augen die leichtere Position gehabt haben, weil sie mich nie anders kennengelernt hatte als den, der ich bin, halb Dämon, halb Mensch. Aber dafür hat sie es mit sich selbst weitaus schwieriger. Die Ruhe und Geduld, die Dir eigen sind – Neider würden es als Phlegma bezeichnen –, werden ihr verwehrt bleiben. Sie wird immer mit ihren Flügeln schlagen, während Du Deine längst ausgebreitet hast.
    Paul, ich weiß nicht, was Du weißt, ich weiß nicht, was inzwischen geschehen ist. Ich habe Vermutungen und sie sind schlimm genug. Doch sei gewiss, dass Deine Mutter und ich oft darüber geredet haben. Sie hat nie versucht, mich von meinen Plänen abzubringen, vielleicht weil sie insgeheim hoffte, dass eines Tages Ruhe einkehren würde. Und ich kann diese Hoffnung verstehen. Denn auch ich wünsche mir nichts sehnlicher als Ruhe.
    Ich hätte sie lieber mit Euch genossen, im Leben, nicht im Tod. Aber das Netz hat sich zugezogen. Ich sitze in der Falle. Einige wenige – sehr wenige – wollen irgendwann sterben, wären sogar bereit, den Menschen im Gegenzug zu helfen, obwohl ich nicht weiß, wie ich ihnen helfen sollte zu sterben. Aber die meisten klammern sich an ihre Unendlichkeit.
    Nun gab es nur noch eine Frage zu beantworten und ich brauchte keine einzige Sekunde, um darüber nachzudenken: Bleibe ich um der Sache willen oder gehe ich um meiner Kinder willen?
    Das war der Handel, erpresserisch und billig, aber mit einem hohen Preis, den ich immer wieder zahlen würde: mein Leben für das meiner Kinder und das meiner Frau.
    Was Elisa betrifft: Ich habe auch ihr einen Brief geschrieben. Und ich habe sie in meiner Safebotschaft – sicher hast Du davon erfahren – deshalb damit beauftragt, meine Nachfolge zu übernehmen, weil sie es sowieso versucht hätte – sie kann ihre Nase nicht aus den Dingen nehmen, die sie nichts angehen – und ich ihr wenigstens einen Schuldigen geben wollte, ihr und Deiner Mutter, falls es schiefgeht. Vor allem aber habe ich darauf gebaut, dass sie sich weigert, diesen Auftrag anzunehmen. Es würde zu ihr passen, genau das nicht zu tun, worum man sie bittet.
    Es ist sowieso eine Aufgabe, deren Zweck ich mehr und mehr infrage stelle. Ich musste wohl erst lernen, dass nichts zu verändern ist,

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