Dornenkuss - Roman
Wirkung von Mahren auf schwangere Frauen wusste; zum anderen gab es etwas, was nach wie vor in mir bohrte, ein letzter Zweifel, den ich für immer ausräumen oder wenigstens klären wollte. Ich fand sie im Schlafzimmer, wo sie ihre Klamotten aus dem Schrank riss und in den Koffer stopfte.
»Gianna … ich … ich muss dir noch etwas sagen. Wegen des Babys. Ich will dir keine Angst machen, aber …«
»Sag nichts, Ellie.« Sie legte eine Jeans beiseite und sah mich ernst an, als wüsste sie genau, was mich beschäftigte. »Ich werde dieses Kind lieben. Ich werde es lieben. Nichts anderes zählt, okay? Ob da nun ein kleiner Mahr zur Welt kommt oder ein wütendes, rotgesichtiges Menschenwesen. Ich werde es lieben. Ich liebe es jetzt schon. Ich hab es die ganze Zeit geliebt.«
»Hast du gewusst, dass du schwanger bist?«
»Geahnt. Irgendwie hab ich es geahnt. Ganz am Anfang, als wir hier waren, bin ich mal vom Bett aufgestanden und hatte ein komisches Gefühl im Bauch, so, als würde sich etwas darin einnisten, aber friedvoll, nicht gewalttätig. Doch ich dachte, es kann nicht sein, nicht bei all dem Stress und der Panik … und meinen Zyklusrechnereien, die ich … äh … ach, vergiss es. Wenn ich ehrlich bin, konnte ich noch nie gut rechnen. Ja, und jetzt hat Colin gesagt, dass ich mich von ihm fernhalten soll, bis es da ist. Danach mimt er gerne den dauerabwesenden Patenonkel, der die schönsten und teuersten Geschenke schickt.«
»Colin war bei dir?«
»Ja, gerade eben, als du oben warst.« Gianna deutete auf das Fenster. »Er hat Louis in den Stall gebracht und ist dann an den Strand gegangen. Er will nach Tillmann sehen, sobald wir weg sind.«
»Gianna, ich fahre nicht mit euch. Ich bleibe hier, bis … bis Tillmann wieder ganz gesund ist. Und da ist noch etwas. Vielleicht bin ich kleinlich, aber Angelo hat mir so einiges ins Ohr gepflanzt und wahrscheinlich ist es das Beste, wenn ich es anspreche.«
Gianna löste ihren Blick vom Fenster und blickte mich verwundert an. »Über mich? Er hat etwas über mich gesagt?«
»Nicht direkt. Ich hab es durch Zufall herausgefunden. Warum hast du mich Elisa genannt? Was war der wirkliche Grund? Denn Sabeth wird von ihrer Mutter Elsbeth genannt, nicht Elisa. Das weiß ich von Angelo.«
Gianna verzog ertappt den Mund und ließ sich auf das Bett plumpsen. »Scheiße … Jetzt wird es peinlich. Ich war mir sicher, dass sie Elisa genannt wird. Wird sie nicht?«
»Nein. Ich hab’s gegoogelt.« Das hatte ich tatsächlich, mit meinem Handy. Hanna nannte Sabeth Elsbeth.
»Oje, oje, ist das peinlich. Ich geb’s zu, ich hab es lange nicht mehr gelesen …«
»Ja, und genau das passt nicht. Wie kannst du mich nach einer Romanfigur benennen, die du gar nicht mehr genau in Erinnerung hast? Es war eine Ausrede, oder?«
Gianna begann nervös mit ihrer Halskette zu spielen, indem sie den Anhänger mit einem ratschenden Geräusch über die Silberglieder fahren ließ. Hin und her, hin und her.
»Gianna, du hast mich Elisa genannt, weil du wusstest, dass das der Kosename von meinem Vater für mich war. Oder? Du wusstest es. Scheiße …«, fluchte ich, als sie nicht widersprach. Ich hatte keine Nerven mehr für weitere Enthüllungen.
»Du hast recht«, flüsterte Gianna schließlich und ließ endlich wieder ihre Kette los. »Ich hab dich automatisch Elisa genannt, weil dein Papa dich so nannte.« Sie schaute zerknirscht auf den Boden. »Und als es dir auffiel, hab ich nach einer passenden Ausrede gesucht, und wie das halt so ist, wenn man schlecht lügen kann, ist es in die Hose gegangen.«
»Ich selbst hab es auch nicht gemerkt. Angelo hat mich darauf aufmerksam gemacht«, erklärte ich ungeduldig. »Aber es hat mein Misstrauen dir gegenüber genährt. Anscheinend ja begründet.« Ich hasste den Gedanken, dass Angelo in diesem Punkt recht behalten hatte. »Also hast du doch mit meinem Vater über mich gesprochen. Du kanntest ihn, oder?«
»Kennen ist zu viel gesagt, aber …« Plötzlich schimmerten Tränen in Giannas Augen und ich bereute es, sie so angefahren zu haben. »Ellie, ich hab dir schon mal gesagt, dass ich ein Helfersyndrom habe, und er wirkte an diesem Abend irgendwie bedrückt. Als wolle er mit jemandem reden und als würde ihn etwas beschäftigen. Weißt du, warum ich beim Journalismus nie auf einen grünen Zweig gekommen bin? Weil ich immer zu viel und zu lange zugehört habe, obwohl ich eigentlich schon alle Infos für meinen Text zusammenhatte.
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