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Dornenkuss

Dornenkuss

Titel: Dornenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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den Schuppen, direkt neben meinem Ohr. Ich zuckte nicht mit der Wimper. »Du hast gewonnen, du kleine erpresserische Schlange. Gott, Ellie, du hast gar keine Angst, oder? Du hast keine Angst … Du musst vollkommen wahnsinnig sein.«
    Colins Zorn wurde für einen Moment von Verblüffung verdrängt, als er spürte, was auch mir ein wenig spanisch vorkam. Ich hatte keine Angst. Und das wiederum musste mir Angst machen … Tat es aber nicht. Ich freute mich nicht auf das, was passieren würde, doch ich wollte es mir auch nicht nehmen lassen. Mich wunderte nur, dass ich es tatsächlich geschafft hatte, einen Mahr von seiner Meinung abzubringen.
    »Schön, dass du es einsiehst. Wenn du nicht kämpfst, muss ich mich nicht einmischen und dann sieht sie mich vielleicht gar nicht. Versprich mir, dass du nicht kämpfst. Du schützt uns damit!«
    Colin schüttelte stöhnend den Kopf, aber es sah nicht wie ein Verneinen aus, sondern wie Resignation. Ich interpretierte sein Schweigen als ein Ja.
    »Wie lange noch?«, fragte ich gefasst. »Wie viel Zeit bleibt uns?«
    »Ein paar Stunden. Sie ist schnell. Schneller als sonst. Ich denke, dass sie kurz nach Sonnenuntergang hier sein wird.«
    Colin küsste mich besitzergreifend, fast strafend, aber nicht ohne Sorge und Zärtlichkeit. Auf einmal kam ich mir schwach und klein vor.
    »Lass uns trotzdem nicht allein, geh nicht weg!«
    »Ich bleibe hier, natürlich bleibe ich. Ich habe euch das doch alles eingebrockt. Ich werde mich zum Meditieren in den Stall zu Louis zurückziehen. Ich werde rechtzeitig bei euch sein, sobald sie sich nähert. Aber sollte es ausarten, packe ich euch und bringe euch weg, das kannst du mir nicht verbieten.«
    Noch einmal küsste er mich, dann zog er Louis, der während unseres Gesprächs ruhiger geworden war, an der Mähne zur Seite und gab mir den Weg frei. Auf wackligen Knien lief ich durch den feurig heißen Wind zu Gianna zurück. Sie umklammerte immer noch das Geländer, hatte aber aufgehört zu würgen. Bevor ich an die Treppe gelangt war, trat Paul aus der Küchentür. Auch er sah blass aus.
    »Was ist mit Gianna? Gianna, ist alles okay? Vielleicht haben wir was Falsches gegessen oder einen Sonnenstich, ich hab auch auf einmal Bauchkrämpfe bekommen, als ich auf dem Klo saß …«
    »Nein!«, krächzte Gianna kehlig. »Nein, Paul, Tessa kommt! Sie kommt! Ich hab sie angelockt! Ich hab sie angelockt, weil ich … weil ich … oh Gott, ich hab gedacht, dass ich Colin liebe, einfach so, nicht wie du denkst, Paul, sondern anders … wie einen Freund, ich schwöre es, so wie man seine Katze liebt oder einen besonders schönen Abend oder den Mond oder …«
    »Gianna, krieg dich wieder ein«, unterbrach ich sie bittend. »Ich hab das Gleiche gedacht und Colin hat es ebenfalls gedacht und das war zu viel für Tessa, das duldet sie nicht. Es war eine Überdosis. Ja, sie kommt, sie ist schon unterwegs.«
    »Padre nostro«, flüsterte Gianna weinend und sank zu Boden, mitten in die Bitterino-Lache und das Gewimmel der Termiten, die sich sekündlich zu vermehren schienen. »Sie wird uns alle töten … Wir wissen doch gar nicht, was wir tun sollen.«
    Ihre sonst so lebendigen Augen bekamen einen starren Glanz und ihre Lippen verfärbten sich bläulich, während ihr ganzer Körper in einem Krampfanfall geschüttelt wurde. Ich griff nach ihrer Hand, um sie zusammen mit Paul aus den Termiten zu ziehen. Kalter Schweiß lag auf ihrer Haut und verströmte einen scharfen, beißenden Geruch. Ihr Gewicht fühlte sich tonnenschwer an. Ununterbrochen wimmerte sie vor sich hin, während Paul und ich sie mit vereinten Kräften ins Schlafzimmer schleppten.
    »Schock«, fasste Paul ihre Symptome in einem Wort zusammen, und obwohl auch er leicht zitterte und nach wie vor sehr blass war, wirkte er erstaunlich kaltblütig auf mich. »Ich werde ihr ein Beruhigungsmittel geben. Ich habe Valium mitgenommen.«
    »Nein! Nein, kein Valium!«
    Paul hob fragend den Kopf, während er Gianna routiniert den Puls maß. Ihr Kopf war zur Seite gekippt und sie heulte ohne Tränen. Unzusammenhängend stammelte sie vor sich hin, ein heilloses Gemisch aus Italienisch und Deutsch. Ich konnte hören, dass sie keinen Speichel mehr im Mund hatte. Die Silben klebten trocken aneinander, was sie umso mehr wie eine Geisteskranke wirken ließ, der gerade in einem wüsten Exorzismus der Teufel ausgetrieben wurde.
    Es wäre zu leicht gewesen, sich von ihr anstecken zu lassen, auch ich wollte mich auf den

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