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Dornenkuss

Dornenkuss

Titel: Dornenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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viele Musikerkollegen ihn als weichlichen Jammerlappen verspotteten. Keane gilt als uncool. Es ist eben keine Männermusik.«
    Ich schluckte einen spitzfindigen Kommentar hinunter. Ich hatte anfangs ähnlich gedacht. Doch dieser eine Song hatte mich mit sich gezogen. Noch immer schwirrten seine Harmonien durch meine Ohren, obwohl wir anschließend etliche andere Nummern gehört hatten.
    »Manchmal denke ich, er hat Broken Toy unter Drogen geschrieben …« Gianna schüttelte sich, als wolle sie unsere Aussprache mit dieser Hypothese abschließen. Sie griff in die Tasche ihres abenteuerlich kurzen Rocks und zog einen kleinen unauffälligen Schlüsselbund hervor. »Schau mal, was ich hier habe. Unser Schlüssel zum Glück«, flötete sie sarkastisch und wir mussten beide grinsen. Sie hatte es geschafft, das Ferienhaus zu bekommen, ganz ohne Heiratsversprechen und Braten im Ofen. Wir konnten unsere Reise morgen fortsetzen. »Lass uns wieder zu- den anderen gehen. Die Männer sind knülle und warten auf ihre Frauen.«
     
    Gianna sollte recht behalten. Enzo, Paul und Tillmann hingen friedlich und sturzbetrunken an ihrem Terrassentisch und brachen in hochemotionales Wehklagen aus, als’ sie uns erblickten. Vermutlich schweißte Männer nichts enger zusammen als das gemeinsame Aufzählen und Diskutieren weiblicher Unzulänglichkeiten. Damit sollten sie ruhig noch ein Weilchen weitermachen. Für mich war der Abend trotz Giannas und meinem Burgmauerngespräch und meiner abflauenden Wut gelaufen, ich wollte schleunigst ins Bett, um morgen nicht wieder auf halber Strecke einer Ohnmacht zu erliegen.
    Ich drückte Enzo ein Küsschen auf seine erhitzten Wangen, als ich mich von ihm verabschiedete, und hoffte, dass er diese scheue Zärtlichkeit als Entschuldigung akzeptierte. Er strahlte selig. Meinen dürftigen Appetit hatte er schon wieder vergessen. Gianna begleitete mich noch bis zum Hotel, wo wir uns Gute Nacht sagten.
    »Mach dich auf was gefasst, Ellie. Das heute war nur eine Einstimmung«, unkte sie. »Süditalien ist ein anderes Kaliber. Hier ist es warm. Da unten ist es heiß.«
    Wir einigten uns darauf, schon bei Sonnenaufgang zu starten; die ersten Etappen konnte Gianna übernehmen, bis Paul entsprechend ausgenüchtert war. So würden wir es eventuell vermeiden können, in die sengende Nachmittagshitze zu geraten. Falls wir gut durchkamen.
    Ich fühlte mich wie im siebten Himmel, als ich mich aus meinen viel zu warmen Klamotten befreite und auf meinem quietschenden und wackelnden Schrankbett ausstreckte. Ich rieb mir die Schläfen mit Pfefferminzöl ein, was sie sofort angenehm kühlte, doch der Schlaf ließ sich trotz meiner Müdigkeit bitten. Bei geschlossenem Fenster bekam ich keine Luft und das offene Fenster war wie ein Verstärker für das, was sich draußen auf der Piazza und in den Sträßchen abspielte. Die Einwohner machten die Nacht zum Tage. Immer dann, wenn sich die Lage gerade zu beruhigen schien und meine Nerven sich entspannten, jaulte eine Vespa auf und schoss knatternd um die Ecke, als wolle sie die Mauern des Hotels rammen, und fast immer hielt diese Vespa mitten auf der Piazza bei laufendem Motor an, weil ihr Fahrer jemanden gesehen hatte, mit dem er (wahlweise auch sie) sich schreiend und rufend unterhalten musste. Es war eine Tortur.
    Trotzdem genoss ich es, allein sein zu können und meinen Frieden zu haben. Mein Körper schlief sogar schon; ich merkte es daran, dass ich mich nicht überreden konnte, meinen Arm zu heben und nach der Wasserflasche zu greifen, die ich neben mir auf den Boden gestellt hatte. Mein Durst und der Lärm jedoch hielten meinen Geist lange Zeit davon ab, sich ebenfalls dem Schlaf zu fügen, und so blieben meine Träume rätselhaft und unklar, bis ich ausgerechnet davon erwachte, dass es still geworden war. Die Bewohner Verucchios waren endlich schlafen gegangen. Wahrscheinlich lag auch Tillmann schon in der anderen Ecke des Zimmers, ausgeknockt vom Wein und dem mächtigen Essen. Wenn er bei Sinnen gewesen wäre, hätte ich das gespürt. Die Luft in unserer Kammer war frischer geworden – immer noch lau, aber aromatisch und würzig.
    Jetzt konnte ich meinem Arm endlich den lange überfälligen Befehl erteilen, nach der Wasserflasche zu greifen. Ich hob ihn an, drehte ihn zur Seite, ließ ihn herabsinken und tastete mit den Fingern den Boden ab. Ich zuckte zurück, als hätte mich etwas gestochen, dabei war das, was ich gespürt hatte, weich und samtig gewesen. Eine Spinne

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