Dornenliebe
einem der kleinen Holztische zu entdecken, auch wenn er nicht allein dort sitzt, sondern bereits mit ein paar anderen Jungen und Mädchen, die Luna nicht kennt, in ein locker vor sich hin plätscherndes Gespräch vertieft ist. Sarah ist noch nicht zu sehen. Als Jaron Luna erblickt, steht er auf.
»Hi«, sagt er und legt ganz kurz seine Arme um ihre Schultern, nicht fest, mit vorsichtig gewahrtem Abstand, Luna bemerkt, wie weich er ist, beinahe zart, sein Ohr hat ihre Stirn gestreift, ihre Wange seinen Hals und sein Haar.
Er rückt ihr einen Stuhl zurecht, sein Gesicht ist leicht gerötet, als er sie mit einer Handbewegung bittet, sich neben ihn zu setzen.
»Sarah kommt gleich«, verspricht er, als müsse er sie beruhigen, »Sie hat die S-Bahn verpasst, aber es kommt ja nicht auf ein paar Minuten mehr oder weniger an. Möchtest du schon was trinken?«
Sarah blick sich auf dem Tisch um und bemerkt, dass alle anderen Cola vor sich stehen haben, also nickt sie und bestellt das Gleiche, als die Kellnerin erscheint und sie lächelnd nach ihrem Wunsch fragt. Dann stellt Jaron sie den anderen vor und umgekehrt.
»Katharina, Judith, Parviz, Ole«, sagt er und deutet auf die Gesichter zu den Namen. Die vier nicken Luna zu und reichen ihr die Hand, dann zieht Ole ein DIN-A4-Blatt aus seiner Umhängetasche. An einem weiteren Tisch sitzen vier Mädchen, die aussehen, als wären sie ebenfalls zu dieser Kneipentour überredet worden, scheinen genau wie Luna kaum jemanden zu kennen. Als Jaron sie fragend ansieht, stellen auch sie sich vor; Clara, Merete, Luise und Hanna, ebenfalls im ersten Semester. Sie lächeln Luna zu, alle fünf wissen nicht, was sie reden sollen, Luna hofft, dass sich später ein Gespräch ergibt.
»Hier stehen die Aufgaben drauf«, verkündet Jaron und hält sein Blatt hoch. »Als Nächstes müssen wir ins Oscar Wilde und herausfinden, wie die Liveband heißt, die dort am nächsten Wochenende spielt. Dann folgen noch vier weitere Kneipen und das Ziel ist das Hard-Rock-Café in der Nähe vom Ku’damm. Die Gruppe, die zuerst dort ist, hat gewonnen.«
»Ins Oscar Wilde müssen wir nicht extra fahren«, bemerkt Judith und wirft ihren glänzenden, exakt geschnittenen roten Bob nach hinten. »Ich kann mit dem Handy ins Internet, da finden wir den Namen der Band auch so raus.«
Alle anderen am Tisch stöhnen genervt, auch Luna findet, das sei zu einfach. Andererseits wäre die Tour schneller fertig, wenn sie eine Kneipe auf der Strecke auslassen, dann könnte sie vielleicht doch noch zu Falk fahren. Endlich taucht Sarah auf, und als alle ihre Cola ausgetrunken haben, gehen sie zusammen weiter. Sarah schließt sich Luna an und bleibt einige Schritte hinter den anderen zurück.
»Hat sich Falk gemeldet?«, fragt sie im Flüsterton. Luna schüttelt den Kopf.
»Auf meinem Handy auch nicht«, sagt Sarah bedauernd. »Aber lass nur, dein Schatz weiß, wie er uns erreichen kann, und wird es sicher auch versuchen, wenn er nachkommen möchte.«
Luna hebt die Achseln und schweigt, es ist gut, dass Sarah neben ihr geht. Genau so muss dieser Abend sein, denkt sie; andere Studenten, das Berliner Nachtleben. Trotzdem zieht es in ihrer Brust, richtig freuen kann sie sich nicht. Sarah blickt sie von der Seite an.
»Au weia«, bemerkt sie. »Dich hat’s richtig erwischt, oder?«
Luna nickt. »Ich wollte ihm auf keinen Fall wehtun. Wenn er das nur begreifen würde.«
Sarah will etwas antworten, doch vor ihnen bleibt Jaron abrupt stehen und dreht sich um, läuft neben Luna her, fragt sie nach ihrem soeben überstandenen ersten Tag an der Uni, plaudert über Musik, fragt, was sie schon von Berlin gesehen habe. Sarah wird von Katharina in ein Gespräch verwickelt und achtet nicht mehr auf Luna, die vier Mädchen aus dem ersten Semester sind ein wenig hinter den anderen zurückgefallen, doch nach kurzer Zeit redet und lacht Luna mit Jaron, als würden sie einander schon lange kennen. Sie fühlt sich, als würde sie auf einem Schulausflug neben ihrem liebsten Klassenkameraden gehen.
»Jetzt müssen wir aber richtig anstoßen - nicht nur mit Cola«, meint Jaron wenig später, als sie alle ihre Getränke vor sich stehen haben. Luna hat ein kleines Bier bestellt, sie ist kaum Alkohol gewöhnt. Bei fünf weiteren Kneipen muss sie aufpassen.
»Willkommen bei uns, Luna«, sagt Jaron und hebt seinen halben Liter irisches Schwarzbier. »Du wirst sehen, das Unileben ist einfach super!«
»Ich finde es anstrengend«, meint
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