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Dornenschwestern (German Edition)

Dornenschwestern (German Edition)

Titel: Dornenschwestern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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zweigeteilt: Die Rivers würden Wales und den Süden und Richard den Norden bekommen. Sie sah, dass ihr die Macht entglitt, und dachte, der König bevorzugte seinen Bruder, weil er wusste, dass Richard die Grenze zu Schottland bewachen und den Norden sichern würde. Sie dachte wohl, Richard sei der wahre Erbe und werde im Norden weiter an Macht und Einfluss gewinnen. Und als sie zu diesem Schluss kam, vergiftete sie den König, ihren eigenen Gemahl, damit er Richard nicht mehr bevorzugen, damit Richard seine Macht nicht weiter ausbauen und sie bedrohen konnte.

    Das geht mir jedoch erst nach und nach auf. Zunächst kehre ich London mit einem Gefühl der Erleichterung den Rücken, das mich immer überkommt, wenn wir Bishop’s Gate hinter uns lassen. Mit einem vertrauten freudigen Gefühl reise ich zurück in den Norden zu meinem kleinen Jungen, meinem Neffen und meiner Nichte. Aber mich beschleicht eine leise Ahnung, dass der Blick, den sie ihrem Bruder zugeworfen hat, weder für uns noch für sonst jemanden etwas Gutes verheißt.

Middleham Castle, Yorkshire

April 1483
    A uf der Heuwiese außerhalb der Burgmauern sehe ich den Kindern bei ihren Reitübungen zu. Sie traben auf drei robusten Pferden, Abkömmlingen der wilden Moorponys, über kleine Hindernisse. Die Stallpfleger erhöhen die Hindernisse nach jedem erfolgreichen Durchgang. Meine Aufgabe ist es zu entscheiden, wann sie für Teddy zu hoch werden, Margaret und Edward dürfen weiterreiten, und dann den Sieger zu verkünden. Ich habe Fingerhutstängel gepflückt, die ich zu einer Siegerkrone binde. Margaret springt mühelos über die Hindernisse und strahlt mich triumphierend an; sie ist ein mutiges kleines Mädchen und schreckt mit ihrem Pony vor nichts zurück. Mein Sohn folgt ihr über die Hürden, nicht so stilvoll, dafür aber umso entschlossener. Bald braucht er ein größeres Pferd und wird zum Turnierkämpfer ausgebildet.
    Unvermutet fangen die Glocken der Kapelle an zu läuten. Mit einem rauen Krächzen fliegen die Saatkrähen vom Dach der Burg auf, und ich drehe mich erschrocken um. Die Kinder halten inne und sehen mich fragend an.
    «Ich weiß nicht, was los ist», antworte ich. «Im Trab zurück in die Burg, schnell.»
    Es ist kein Alarm, sondern die Totenglocke. Jemand aus der Familie ist gestorben. Doch wer? Einen Augenblick frage ich mich, ob sie meine Mutter tot in ihren Gemächern gefunden und das Glockengeläut befohlen haben, obwohl ihr Tod schon vor Jahren verkündet wurde. Doch wären sie dann nicht zuerst zu mir gekommen? Ich hebe die Röcke und laufe den steinigen Weg hinter den Kindern her in den Innenhof.
    Richard steht auf den Stufen zur großen Halle, wo sich die Menschen um ihn versammeln. Er hält ein Blatt Papier in der Hand. Ich erkenne das königliche Siegel, und meine erste Hoffnung ist, dass meine Gebete erhört wurden und die Königin tot ist. Ich laufe die Stufen hinauf zu ihm.
    Und er sagt mit vor Trauer erstickter Stimme: «Es ist Edward. Edward, mein Bruder.»
    Ich schlage die Hand vor den Mund und warte, bis die Glocke verklungen ist und der ganze Haushalt den Blick auf meinen Gemahl richtet. Die drei Kinder eilen aus den Ställen herbei und stellen sich, wie es sich geziemt, vor uns. Edward hat die Kappe abgenommen, und Margaret zieht Teddy die Mütze von seinem Lockenkopf.
    «Ernste Neuigkeiten aus London», sagt Richard laut, sodass alle, selbst die Arbeiter, die von den Feldern herbeigelaufen sind, ihn hören können. «Seine Gnaden, der König, mein geliebter und edler Bruder, ist tot.» In der Menschenmenge macht sich augenblicklich große Unruhe breit. Richard nickt, sie nehmen die Nachricht genauso ungläubig auf wie er. Er räuspert sich. «Er ist vor ein paar Tagen krank geworden und gestorben. Er hat die Sterbesakramente erhalten, und wir werden für seine unsterbliche Seele beten.»
    Viele bekreuzigen sich, und eine Frau stößt einen leisen Schluchzer aus und wischt sich mit dem Schürzenzipfel über die Augen. «Sein Sohn Edward, Prince of Wales, erbt die Krone seines Vaters», fährt Richard fort und erhebt die Stimme: «Der König ist tot. Gott schütze den König!»
    «Gott schütze den König!», rufen alle, und dann nimmt Richard meinen Arm und geleitet mich in die große Halle. Die Kinder folgen uns.

    Richard schickt die Kinder in die Kapelle, um für die Seele ihres Onkels, des Königs, zu beten. Er handelt schnell und entschlossen, er weiß genau, was zu tun ist. Dies ist ein schicksalhafter

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