Dornenschwestern (German Edition)
und rückt in Edinburgh ein. Es ist ein großer Sieg. Doch selbst dies überzeugt den Hof nicht, dass Richard ein guter Soldat ist und ein würdiger Erbe seines Vaters. Keinen Monat später beschweren sich die Rivers, dass er weiter hätte vorrücken und mehr Land erobern sollen.
Ich höre förmlich Elizabeths Stimme und beiße die Zähne zusammen. Wenn sie ihren Gemahl überzeugt, dass dieser Sieg gegen die Schotten eigentlich eine verräterische Niederlage ist, werden sie Richard nach London berufen und von ihm eine Rechtfertigung verlangen.
Um mich zu trösten, gehe ich ins Schulzimmer, wo die Kinder lateinische Grammatik pauken. Sie sagen die Verben auf, die auch Isabel und ich vor so langer Zeit in Calais gelernt haben. Fast ist mir, als könnte ich Isabels Stimme und ihren triumphierenden Aufschrei hören, wenn sie wieder einmal keinen Fehler machte. Mein Sohn Edward ist neun Jahre alt, neben ihm sitzt Isabels Tochter Margaret, die dieses Jahr ebenfalls neun wird, und daneben ihr Bruder Edward, den wir alle Teddy nennen und der gerade mal sieben ist.
Ihr Lehrer unterbricht die Lektion und sagt, sie dürften eine kurze Pause machen, um mich zu begrüßen, woraufhin die drei sich zu mir gesellen. Margaret lehnt sich an mich, und ich lege ihr den Arm um die Schulter und betrachte die beiden hübschen Jungen. Mag sein, dass ich keine Kinder mehr haben werde. Ich bin erst sechsundzwanzig Jahre alt, und weder die Ärzte noch die Hebammen, noch die Priester können mir sagen, warum. Margaret ist so hübsch und leidenschaftlich wie ihre Mutter, sie ist mein Liebling und wohl die einzige Tochter, die ich aufziehen werde.
«Geht es dir gut, werte Mutter?», fragt sie freundlich.
«Ja», antworte ich und streiche ihr die widerspenstigen braunen Haare aus den Augen.
«Können wir spielen, wir wären am Hof?», fragt sie. «Du spielst die Königin, und wir werden dir vorgestellt?»
Das bringe ich heute nicht über mich, das Spiel erinnert mich zu sehr an meine Schwester. «Heute Morgen nicht», sage ich. «Außerdem musst du nicht üben. Vielleicht geht ihr Kinder gar nicht an den Hof. Vielleicht werdet ihr leben wie euer Vater: als großer Lord auf seinen Besitzungen, weit weg vom Hof und der Königin.»
«Gehen wir an Weihnachten nicht dorthin?», fragt Edward mich mit einem besorgten Stirnrunzeln. «Ich dachte, dieses Jahr müssten wir drei an den Hof?»
«Nein», antworte ich und gebe mir selbst ein Versprechen. «Euer Vater und ich gehen nach London, wenn der König es befiehlt, aber ihr drei bleibt hier im sicheren Middleham.»
Westminster Palace, London
Winter 1482 – 1483
W ir hatten keine Wahl», sagt Richard zu mir, als wir vor dem königlichen Audienzzimmer stehen bleiben. «Wir mussten zum Weihnachtsfest herkommen. Es ist schlimm genug, dass du die Kinder zu Hause gelassen hast. Es sieht so aus, als würdest du dich nicht trauen, sie mit nach London zu bringen.»
«Dem ist ja auch so», sage ich rundheraus. «Solange sie auf dem Thron sitzt, werde ich Isabels Kinder niemals mit hierherbringen. Ich möchte sie nicht in ihre Obhut geben. Sieh dir doch das Mowbray-Mädchen an, verheiratet mit Prinz Richard, ihr Vermögen an die Rivers überschrieben. Und vor ihrem neunten Geburtstag war sie tot.»
Richard sieht mich finster an. «Kein Wort mehr», entgegnet er knapp.
Die prächtigen Türen gehen auf, und Fanfarenstöße künden uns an. Richard fährt ein wenig zusammen – jedes Mal, wenn wir den Hof besuchen, präsentiert dieser sich großartiger und prächtiger. Jetzt wird jeder Ehrengast mit Geschmetter und lauter Stimme angekündigt, als wüssten wir nicht längst, dass die Hälfte der wohlhabenden Menschen in England ihre Brüder und Schwestern sind.
Edward spaziert zwischen den Höflingen herum, breiter und einen Kopf größer als alle anderen – er wird immer dicker –, während die Königin auf ihrem goldenen Thron sitzt. Die königlichen Kinder sind exquisit gekleidet und scharen sich um ihre Mutter. Von der Jüngsten, Bridget, die zu Füßen ihrer Mutter herumwatschelt, bis zu der Ältesten, Prinzessin Elizabeth, eine junge Frau von sechzehn Jahren. Prinz Edward, blond und gutaussehend wie sein Vater, ein Junge von zwölf Jahren, für das Weihnachtsfest aus Wales angereist, spielt mit seinem Vormund Anthony Woodville Schach, dessen schönes Profil dem Spielbrett zugewandt ist.
Niemand kann leugnen, dass sie die schönste Familie in England sind. Elizabeths berühmtes Gesicht ist
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