Dornenschwestern (German Edition)
schmächtig, und seine Haut ist so blass. Ich denke an die Hexe, die immer noch im Kirchenasyl lebt und diese Weihnachten ihre Freilassung feiert. Ich umarme Richard und lege die Hand auf seinen Schwertarm und umfasse ihn behutsam, während er schläft, um zu sehen, ob er wirklich schwindet und vergeht, wie er glaubt. Ich kann es nicht sagen. Ist Elizabeth Woodville eine geschlagene Witwe, mit der ich Mitleid haben sollte? Oder ist sie die größte Widersacherin meiner Familie und meines inneren Friedens?
Greenwich Palace, London
März 1484
D er Frühling bricht zeitig in London an, Wochen früher als bei uns zu Hause im Norden. Wenn ich am Morgen aufwache, höre ich die Hähne krähen und die Milchkühe muhen, die durch die Straßen auf die Weiden am Fluss getrieben werden. Das Parlament erlässt ein Gesetz, das anerkennt, dass Edward vor seiner vorgetäuschten Hochzeit mit Elizabeth Woodville schon mit einer anderen Frau verheiratet war und ihre gemeinsamen Kinder folglich alle Bastarde sind. Sie ist wieder Elizabeth Woodville und kann sich auch nach ihrem ersten – ihrem einzig wahren – Gemahl Lady Elizabeth Grey nennen, und ihre Mädchen können sich ebenfalls hinter diesen Namen ducken. Nachdem Richard seine Vereinbarung mit der Woodville vorgelegt hat, wird sie mit ihren beiden jüngsten Mädchen in die Obhut von Sir John Nesfield gegeben, der in einem wunderschönen Landhaus in Heytesbury, Wiltshire, lebt.
Er erstattet Richard regelmäßig Bericht, und einer gerät mir zufällig in die Hände. Er schreibt, dass die Königin – ihm unterläuft der Flüchtigkeitsfehler, sie die Königin zu nennen, als existierte ich gar nicht, als wäre kein Gesetz ergangen – reite und tanze und ihr eine Schar ortsansässiger Musiker zur Verfügung stehe, dass sie die Messe besuche, ihre Mädchen unterrichte und sich in die Führung des Bauernhofs einmische, Veränderungen in der Milchkammer vornehme und die Bienenstöcke versetze, ihn bezüglich der Möblierung berate und einen privaten Garten mit ihren Lieblingsblumen pflanze. Er klingt nervös und erfreut. Es scheint, als genieße sie es, wieder eine Lady auf dem Land zu sein. Ihre Mädchen verwildern, Sir John hat ihnen Ponys geschenkt, und sie galoppieren durch halb Wiltshire. Der Tonfall von Sir Johns Bericht ist nachsichtig, als hätte er Freude daran, dass eine schöne Frau und zwei muntere Mädchen sein Haus auf den Kopf stellen. Vor allem aber gehe sie jeden Tag in die Kapelle und empfange keine geheimen Botschaften. Auch wenn ich froh sein sollte, dass sie weder Ränke schmiedet noch jemanden verhext, kann ich nicht umhin, mir zu wünschen, sie wäre noch im Kirchenasyl oder im Tower eingesperrt wie ihre Söhne oder würde ganz verschwinden wie die beiden Jungen. Erst dann hätte ich, hätte England Frieden, wenn sie bei ihrem Gemahl im Grab läge oder mit ihren Jungen verschwunden wäre.
Die drei ältesten Rivers-Mädchen kommen an den Hof, mit hocherhobenem Haupt, als wäre ihre Mutter nicht des Verrats an uns für schuldig befunden worden. Richard teilt mir mit, dass sie mir am Morgen nach dem Besuch der Kapelle und dem Frühstück ihren Respekt erweisen werden. Sorgfältig wähle ich einen Platz in den wunderschönen Gemächern des Greenwich Palace und setze mich in einem dunkelroten Kleid und einem hohen Hennin mit rubinroter Spitze mit dem Rücken zum hellen Fenster. Meine Ladys sitzen um mich herum, und ihre Mienen, die sie der langsam sich öffnenden Tür zuwenden, sind nicht freundlich. Keine Frau will sich mit drei hübschen Mädchen vergleichen. Wie immer suchen die Rivers-Töchter nach geeigneten Heiratskandidaten. Abgesehen davon hat der halbe Hof schon vor diesen Mädchen gekniet, und die andere Hälfte hat, als sie klein waren, ihre Fäustchen geküsst und geschworen, sie seien die schönsten Prinzessinnen, die die Welt je gesehen habe. Jetzt sind sie die Kammerfräulein einer neuen Königin, nie wieder werden sie eine Krone tragen. Sie sollen begreifen, dass sie ihre prachtvolle Stellung verloren haben und in die Armut abgestiegen sind, wobei insgeheim alle hoffen, dass sie es doch nicht begreifen und sich zum Narren machen. Die Menschen am Hof sind nun einmal grausam, und in meinen Gemächern hat niemand einen Grund, die Töchter von Elizabeth Woodville zu lieben, die uns alle von oben herab behandelt hat.
Die Tür geht auf, und die drei kommen herein. Augenblicklich verstehe ich, warum Richard der Mutter vergeben und die Mädchen an den
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