Dornenschwestern (German Edition)
schnell wie Wiesel, hinter ihr her. «Mylord Onkel», plappern sie im Chor.
Er strahlt sie an, zieht Elizabeth an sich und küsst sie auf beide Wangen. Die anderen beiden bekommen einen Kuss auf die Stirn.
«Und wie geht es eurer Mutter?», fragt er Elizabeth beiläufig, als erkundigte er sich jeden Morgen nach dem Wohlergehen einer Hexe und Verräterin. «Gefällt es ihr in Heytesbury?»
Sie lächelt geziert. «Es gefällt ihr sehr, Mylord Onkel! Sie schreibt mir, sie tausche alle Möbel aus und grabe den Garten um. Sir John hält sie wahrscheinlich für eine schwierige Pächterin.»
«Dafür wird sein Haus über die Maßen verschönert», versichert er ihr, als müsste er ihr freches Auftreten auch noch bestätigen. Er wendet sich an mich. «Du bist gewiss froh, dass deine Nichten jetzt bei dir sind.» Sein Tonfall macht mir unmissverständlich klar, dass ich ihm beipflichten muss.
«Ich bin entzückt», entgegne ich kühl. «Überaus entzückt.»
Es sind unleugbar hübsche Mädchen. Cecily ist ein Einfaltspinsel und eine Klatschbase, Anne verlässt kaum das Schulzimmer, und ich sorge dafür, dass sie am Vormittag in Griechisch und Latein unterrichtet wird. Elizabeth ist vollkommen. Wenn man die Qualitäten einer Prinzessin von England auflisten würde, würde sie sie alle erfüllen. Sie ist belesen – darum haben ihr Onkel Anthony Woodville und ihre Mutter sich gekümmert; kaum war sie der Wiege entwachsen, bekam sie die frisch gedruckten Bücher von ihrem Buchbinder Caxton. Drei Sprachen spricht sie fließend und vier kann sie lesen. Sie spielt verschiedene Instrumente und singt mit überraschend süßer, tiefer Stimme. Sie fertigt erlesene feine Näharbeiten an, und ich glaube, sie könnte ein Hemd nähen oder ein feines Leinenunterhemd säumen. Ich habe sie noch nicht in der Küche gesehen, da ich – als Tochter des mächtigsten Grafen in England und jetzt Königin meines Landes – keinen Grund habe, in die Küche zu gehen. Doch da sie im Kirchenasyl eingesperrt war und die Tochter einer kleinen Landadligen ist, erzählt sie mir, sie könne Braten und Schmortöpfe zubereiten, köstliche Frikassees und Nachtische. Wenn sie tanzt, kann niemand die Augen von ihr lösen; sie bewegt sich zur Musik, als inspirierte sie sie, schließt halb die Augen und lässt sich von den Tönen leiten. Alle wollen mit ihr tanzen, denn mit ihr im Arm macht jeder eine anmutige Figur. Als man ihr eine Rolle in einem Stück gibt, stürzt sie sich darauf und lernt ihren Text und spricht ihn, als glaubte sie mit ganzer Seele daran. Sie ist den anderen beiden eine gute Schwester und schickt Geschenke an die übrigen in Wiltshire. Sie ist eine gute Tochter, die jede Woche an ihre Mutter schreibt. Ihren Dienst als meine Hofdame verrichtet sie tadellos; ich habe nichts an ihr auszusetzen.
Warum verachte ich sie nur so sehr, trotz all dieser bemerkenswerten Tugenden?
Das ist leicht beantwortet. Erstens, weil ich neidisch auf sie bin. Das ist töricht und eine Sünde. Ich kann nicht umhin zu bemerken, wie Richard sie ansieht: Als wäre sein Bruder zu ihm zurückgekehrt, nur als junges, hoffnungsfrohes, fröhliches, schönes Mädchen. Er sagt nie etwas, das ich kritisieren könnte, und er spricht nie anders von ihr als von seiner Nichte. Doch er sieht sie an, ja, wie alle am Hof, als könnte er sich nicht sattsehen und als erfreute sie sein Herz.
Zweitens hat sie bisher ein leichtes Leben gehabt. Deshalb lacht sie häufig, als wäre der tägliche Trott unaufhörlich amüsant. Sie führt ein Leben, das ihre Schönheit nicht in Mitleidenschaft zieht, denn was hat sie schon erlebt, worüber sie die Stirn runzeln müsste? Keine Falten der Enttäuschung haben sich in ihr Gesicht gegraben, und kein Kummer hat sich in ihren Körper hineingefressen. Ich weiß, sie hat ihren Vater verloren und ihren geliebten Onkel, ihre Familie wurde vom Thron gestoßen, und zwei geliebte jüngere Brüder sind gestorben. Doch nichts davon macht sich bemerkbar, wenn sie ein Fadenspiel spielt, am Fluss entlangläuft oder für Anne Narzissen zu einer Krone bindet, als müssten diese Mädchen nicht allein den Gedanken an eine Krone fürchten. Sie wirkt auf mich sorglos, und ich bin neidisch auf ihre Lebensfreude, die ihr so mühelos zuzufliegen scheint.
Zu guter Letzt kann ich eine Tochter von Elizabeth Woodville einfach nicht lieben. Niemals. Die Frau schwebte mein ganzes Leben lang wie ein unheilbringender Komet am Horizont, von dem Augenblick, da ich sie
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