Dornenschwestern (German Edition)
Hof befohlen hat: Es geschah aus Liebe zu seinem Bruder. Die Älteste, Elizabeth, jetzt achtzehn Jahre alt, vereint in sich die außergewöhnliche vollendete Schönheit ihrer Mutter mit der Wärme ihres Vaters. Ich würde sie überall als Edwards Tochter erkennen. Sie besitzt seine unbefangene Anmut, wenn sie sich lächelnd umsieht, als würde sie Freunde begrüßen. Sie hat auch dieselbe Statur: Sie ist groß und schlank wie ein Schössling der Eiche, unter der er verhext wurde. Auch sonst sieht sie ihm ähnlich. Das Haar ihrer Mutter ist so blond, dass es beinahe silbern wirkt, Elizabeths hingegen ist dunkler, wie das ihres Vaters, Haare wie ein Weizenfeld, golden und bronzen. Eine Strähne hat sich unter dem Hennin hervorgestohlen und fällt ihr über die Schulter. Wenn sie ihr Haar herablässt, gleicht es sicher einem Wasserfall honigfarbener Locken.
Sie trägt ein grünes Kleid und kommt an diesen Hof voller lebensmüder Menschen, als wäre sie der Frühling selbst. Es ist ein schlichtes Kleid mit langen, weiten Ärmeln, und statt einer Goldkette hat sie sich einen grünen Ledergürtel um die schlanke Taille geknotet. Vermutlich war kein Geld übrig, um den Mädchen Gold oder Juwelen zu kaufen. Elizabeth Woodville mag die halbe Schatzkammer ausgeraubt haben, doch Aufstände sind teuer, und sie hat ihr ganzes Vermögen vermutlich dafür ausgegeben, Männer gegen uns zu bewaffnen. Ihre Tochter, Prinzessin Elizabeth, oder vielmehr – das darf ich nicht vergessen – Mistress Elizabeth Grey, hat eine hübsche Haube auf dem Kopf. Nichts, womit sie prahlen kann, wie mit der kleinen Krone, die sie früher als die älteste, von ihren Eltern verwöhnte Lieblingsprinzessin und als dem Thronerben von Frankreich versprochene Braut getragen hat. Ihre Schwestern folgen ihr. Auch Cecily ist eine Schönheit, nur hat sie dunkles Haar und dunkle Augen. Voller Selbstvertrauen wirft sie ein fröhliches Lächeln in die Runde. Sie trägt ein dunkles Rot, das ihr gut steht. Dahinter kommt die kleine Anne, die Jüngste, in hellem Blau wie der Rand eines Sees. Wie ihre älteste Schwester hat auch sie blonde Haare, ist jedoch in ihrer Art zurückhaltender und tritt nicht mit demselben großtuerischen Selbstvertrauen auf wie die anderen beiden.
Sie stehen in einer Reihe vor mir wie Wachen, die ihre Waffen präsentieren, und ich wünschte bei Gott, ich könnte sie zurück in die Wachstube schicken. Doch ich muss sie begrüßen, wenn auch nicht als Nichten, sondern als Mündel. Ich erhebe mich von meinem Thron, und meine Hofdamen stehen ebenfalls auf, doch das Rascheln von einem Dutzend kostbarer Kleider kümmert Elizabeth nicht. Sie lässt den Blick von einer zur anderen wandern, als überlegte sie, wie teuer die Stoffe waren. Ich merke, dass ich rot werde. Sie wurde am Hof von einer Königin aufgezogen, die eine berühmte Schönheit war, und ich muss ihr spöttisches Lächeln nicht sehen, um zu wissen, dass sie uns langweilig findet. Selbst ich in meinem rubinroten Kleid bin eine blasse Königin im Vergleich zu ihrer Mutter. Für sie bin ich nichts weiter als ein Schatten.
«Ich heiße euch drei, Mistress Elizabeth, Cecily und Anne Grey, an meinem Hof willkommen», sage ich und bemerke, wie Elizabeths Augen aufblitzen, als ich sie mit dem Namen des ersten Gemahls ihrer Mutter anspreche. Sie wird sich daran gewöhnen müssen, dass man sie «Mistress Grey» nennt und nicht «Euer Gnaden». Das Parlament hat sie zum Bastard erklärt und die Ehe ihrer Eltern als bigamistischen Schwindel entlarvt.
«Ihr werdet sehen, dass es leicht ist, mir als Königin zu dienen», sage ich freundlich, als wären wir uns noch nie begegnet, als hätte ich nicht ein Dutzend Mal ihre kühlen Wangen geküsst. «Und hier herrscht Ausgelassenheit am Hof.» Ich setze mich und strecke den dreien die Hand entgegen, und eine nach der anderen knickst und küsst meine kalten Finger.
Wir haben das Willkommensritual gut hinter uns gebracht. Da geht die Tür auf, und mein Gemahl Richard tritt ein. Er hat diesen Augenblick sorgfältig gewählt und will sich vergewissern, dass alles reibungslos verläuft. Ich verberge meine Verärgerung hinter einem herzlichen Begrüßungslächeln.
«Und hier ist der König …»
Niemand achtet mehr auf mich. Kaum geht die Tür auf, wendet Elizabeth sich um, und als sie meinen Gemahl erblickt, erhebt sie sich aus ihrem Knicks und geht mit leichten Schritten auf ihn zu.
«Euer Gnaden, mein Onkel!», sagt sie.
Ihre Schwestern huschen,
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