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Dornenschwestern (German Edition)

Dornenschwestern (German Edition)

Titel: Dornenschwestern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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um ihn kümmern können. Als ich den kleinen Prinz Richard das letzte Mal gesehen habe, der im selben Alter war wie mein Edward, war er einen guten Kopf größer, lebhaft und hatte rosige Wangen. Edward sprudelt nicht über vor Leben, er muss nicht unablässig herumtollen. Er sitzt auch gern still über einem Buch und geht ohne Widerrede zu Bett. Das Aufstehen am Morgen fällt ihm oft schwer.
    Er isst einigermaßen, die Köchin gibt sich große Mühe, köstliche Speisen mit verführerischen Soßen hinaufzuschicken. Ich habe noch nie erlebt, dass er mit Margaret und Teddy hinunter in die Küche gegangen wäre, um die Reste vom Kuchen vom Tisch zu stibitzen oder die Bäcker um ein warmes Brötchen frisch aus dem Ofen zu bitten. Er mopst nie Sahne aus der Milchkammer, lungert nicht herum, um ein Stückchen vom Bratspieß abzubekommen.
    Ich versuche, mir keine Sorgen um ihn zu machen. Er erledigt gerne seine Schularbeiten, reitet mit seinem Cousin und seiner Cousine aus, spielt Jeu de Paume oder kegelt und schießt mit Pfeil und Bogen. Allerdings beendet er immer als Erster ein Spiel oder zieht sich zurück, um sich ein paar Augenblicke still hinzusetzen. Dann bemerkt er lachend, dass er erst wieder zu Atem kommen müsse. Wie nicht anders zu erwarten, steht sein Leben unter dem Fluch einer Hexe.
    Natürlich weiß ich nicht, ob sie meinen Sohn je verflucht hat. Doch wenn er manchmal zu meinen Füßen sitzt und den Kopf an meine Knie lehnt und ich ihm über das Haar streiche, geht mir durch den Kopf, dass ihre Bösartigkeit einen Schatten über mein Leben wirft und es mich nicht überraschen würde, wenn es auch meinen Sohn belastet. Und jetzt spricht Richard davon, dass die Hexe Elizabeth und ihre Tochter, die in ihre Fußstapfen tritt, wegen der Ermordung der Prinzen einen neuerlichen Fluch ausgesprochen haben, und ich fürchte umso mehr, dass diese Teufelei gegen mich und meinen Jungen gerichtet ist.

    Ich befehle den Ärzten in Middleham, mir alle drei Tage einen Brief zu schreiben und mir zu berichten, wie es den Kindern geht. Die Briefe reisen durch das Schneewetter im Norden und die matschigen Straßen im Süden, und sie versichern mir, dass Edward guter Dinge ist, mit seiner Cousine und seinem Cousin spielt, das Winterwetter genießt, Schlitten fährt und Schlittschuh läuft. Ich kann guten Mutes sein.
    Richard ist fest entschlossen, auch ohne die Kinder ein fröhliches Weihnachtsfest am Hof zu feiern. Wir sind ein von Erfolg gekrönter Hof, jeder, der mit uns feiert, weiß, dass das erste Weihnachtsfest unserer Regentschaft noch ausgelassener wird. Denn als wir in den ersten Wochen unserer Herrschaft durch die frühere Königin und einen unerprobten Jungen, der sich König nennen wollte, herausgefordert wurden, haben wir Unterstützung erfahren. England will Henry Tudor nicht, die Rivers-Jungen sind in Vergessenheit geraten, und die Leute sind damit einverstanden, dass die Woodville-Königin im Kirchenasyl bleibt. Sie ist erledigt. Ihre Herrschaft ist vorüber, und dieses Weihnachtsfest macht allen deutlich, dass die unsere begonnen hat.
    Jeden Tag finden Vergnügungen, Jagden, Bootsausflüge, Wettbewerbe und Turniere statt, und es wird viel getanzt. Richard befiehlt die besten Musiker und Stückeschreiber an den Hof, Dichter kommen, um Balladen für uns zu schreiben, und die Kapelle ist erfüllt von der heiligen Musik des Chors. Kein Tag vergeht, an dem man sich nicht neue gesellschaftliche Zerstreuungen einfallen lässt, und jeden Tag macht Richard mir ein kleines Geschenk – eine kostbare Perlenbrosche oder ein Paar parfümierter Lederhandschuhe, drei neue Reitpferde für die Kinder oder so etwas Luxuriöses wie kandierte Orangen aus Spanien. Er überhäuft mich mit Geschenken, und am Abend kommt er in meine prächtigen Gemächer und verbringt die Nacht bei mir und schlingt die Arme um mich, als könnte er nur, indem er mich festhält, glauben, dass er mich tatsächlich zur Königin gemacht hat.
    Manchmal wache ich in der Nacht auf und betrachte den Wandteppich über dem Bett, in den Götter und Göttinnen eingewebt sind, die sich siegreich auf Wolken rekeln. Auch ich sollte mich wie eine Siegerin fühlen. Ich bin da, wo mein Vater mich haben wollte. Ich bin die erste Lady im Land – nie wieder muss ich Angst haben, auf die Schleppe einer anderen Frau zu treten, denn jetzt folgen alle mir. Doch just wenn ich darüber lächele, wandern meine Gedanken zu meinem Sohn in den kalten Tälern Yorkshires, er ist so

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