Dornenschwestern (German Edition)
ihm und George und dich bei ihr zurücklassen?»
«Was sollen wir denn tun?», frage ich sie. «Was sollen wir denn sagen?»
«Nichts», erwidert sie zornig, wendet sich ab und geht fort.
«Wohin willst du?», rufe ich hinter ihr her.
«Ihnen sagen, dass sie packen sollen», wirft sie mir als Antwort über die Schulter zu. «Meinetwegen können sie ruhig ein Totenhemd einpacken. Mir ist es egal, ob ich diesmal ertrinke.»
König Ludwig hat Isabel ein elegantes kleines Handelsschiff zur Verfügung gestellt, zwei Hofdamen sollen ihr auf der Reise Gesellschaft leisten. Meine Mutter, Königin Margarete und ich stehen auf dem Kai, um sie zu verabschieden.
«Ehrlich, ich kann nicht», fleht Isabel.
«Dein Vater sagt, er braucht dich an der Seite deines Gemahls», befindet meine Mutter. «Du sollst sofort kommen.»
«Ich dachte, ich würde mit Annie reisen. Ich sollte bei Annie bleiben und ihr beibringen, wie man sich beträgt. Ich bin ihre Hofdame, sie braucht mich.»
«Ja», bekräftige ich.
«Königin Margarete bestimmt jetzt über Anne, und Anne sorgt dafür, dass die Königin unserer Abmachung treu bleibt. Durch ihre Anwesenheit und ihre Heirat mit Prinz Edward. Mehr muss sie nicht tun. Sie braucht keinen Rat, sie muss nur der Königin gehorchen. Dein Platz ist an Georges Seite», erklärt meine Mutter ihr. «Deine Aufgabe ist es, darauf zu achten, dass er unserer Sache treu bleibt und sich von seiner Familie fernhält. Fang alle Nachrichten ab, die sie ihm schicken, und pass auf, dass er deinem Vater stets ergeben ist. Erinnere ihn daran, dass er deinem Vater und dir die Treue geschworen hat. Wir kommen in ein paar Tagen nach, und dein Vater zieht siegreich durch England.»
Isabel streckt die Hand nach mir aus.
«Jetzt komm schon», sagt Mutter verärgert. «Kleb nicht so an deiner Schwester. Du wirst in London sein, bei deinem Vater, und bei Hofe fröhlich feiern, während wir mit der Armee in Dorset festsitzen und langsam auf London vorrücken. Du bist im Westminster Palace und wählst deine Kleider aus der königlichen Kleiderkammer, während wir uns den Fosse Way hochschleppen.»
Sie nehmen ihre Kleidertruhen und Taschen.
«Geh nicht», flüstere ich eindringlich. «Lass mich nicht mit der bösen Königin und ihrem Sohn allein.»
«Wie kann ich mich weigern?», fragt sie. «Bring die beiden nicht gegen dich auf, tu einfach, was man dir sagt. Wir sehen uns in London. Dann sind wir wieder zusammen.» Sie bringt ein Lächeln zustande. «Denk doch, Annie, du wirst Prinzessin von Wales.»
Ihr Lächeln erstirbt, und wir sehen uns freudlos an. «Ich muss gehen», sagt sie, als Mutter ihr ungeduldig winkt, und mit unserer Halbschwester Margaret und zwei älteren Hofdamen geht sie über den Kai zu dem kleinen Schiff. Als sie die Laufplanke betritt, blickt sie noch einmal zurück, hebt die Hand und winkt mir. Ich glaube, außer mir schert es niemanden, dass sie seekrank wird.
Harfleur, Frankreich
März 1471
D ie Winde halten uns im Hafen fest, obwohl wir schon vor zwei Wochen Segel setzen wollten. Meine Schwiegermutter, Königin Margarete, ist verzweifelt, geht jeden Tag in der Morgendämmerung ungeduldig hinunter an den Kai und streitet mit den Kapitänen ihrer Flotte. Sie versichern ihr, dass die starken Winde so kräftig landwärts wehen, dass wir mit den Schiffen nicht hinaus aufs Meer gelangen können, auch die Invasionsflotte von König Edward ein Stück die Küste hoch in Flandern drücken sie gegen die Hafenmauern. Sowohl er als auch wir sitzen machtlos im Hafen fest.
Seine Zeit im Exil hat er allerdings nicht nutzlos verstreichen lassen. Während mein Vater England unter seine Befehlsgewalt gebracht, den König aus dem Tower entlassen und von neuem gekrönt hat, die lancastrianischen Lords wieder in Ruhm und Ehren eingesetzt und verkündet hat, dass Prinz Edward und ich verheiratet sind, hat der bezwungene König Edward sich Geld beschafft, eine Flotte aufgestellt und eine bunt zusammengewürfelte Armee zusammengerufen. Nun wartet er – genau wie wir – auf günstigen Wind, um nach England zu segeln. Dass seine Gemahlin Elizabeth im Kirchenasyl einen Sohn zur Welt gebracht hat, behaupten seine Freunde und Unterstützer, sei ein Zeichen ihrer Bestimmung. Sie drängen ihn, den Frieden meines Vaters zu stören. Wir müssen also unbedingt vor ihm nach England gelangen, damit wir meinen Vater gegen Edward of Yorks Invasion unterstützen können. Wir müssen nicht nur vor König Edward nach
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