Dornenschwestern (German Edition)
und unsere Mütter bringen uns zu Bett. Ich habe solche Angst vor meiner Schwiegermutter, der Königin, dass ich ohne Protest das Gemach betrete, ohne an den Prinzen zu denken und daran, was mich in der Nacht erwartet. Ich setze mich im Bett auf und warte auf ihn. Ich nehme ihn kaum wahr, als er hereinkommt, denn ich beobachte das eifrige Gesicht seiner Mutter, während sie ihm den Umhang von den Schultern nimmt und ihm «Gute Nacht» zuflüstert und hinausgeht. Mich schaudert, wie sie ihn ansieht, fast als wünschte sie, sie könnte dableiben und zusehen.
Kaum sind alle fort, wird es sehr still. Ich erinnere mich, dass Isabel gesagt hat, es sei schrecklich gewesen. Ich warte darauf, dass er mir sagt, was ich tun soll. Er schweigt. Er kommt ins Bett, und die dicke Federmatratze sinkt auf seiner Seite ein, die Seile des Betts knarren unter seinem Gewicht. Er sagt immer noch nichts.
«Ich weiß nicht, was ich machen soll», bemerke ich verlegen. «Es tut mir leid. Niemand hat es mir erklärt. Ich habe Isabel gefragt, aber sie weigerte sich. Meine Mutter konnte ich nicht fragen …»
Er seufzt, als sei auch dies eine Last, die ihm durch die notwendige Allianz unserer Eltern auferlegt wurde.
«Du machst gar nichts», erwidert er. «Du liegst nur da.»
«Aber ich …»
«Du liegst nur da und sagst nichts», wiederholt er. «Das Beste, was du im Augenblick für mich tun kannst, ist, nichts zu sagen. Erinnere mich vor allem nicht daran, wer du bist, denn ich ertrage den Gedanken nicht, dass …» Und dann hievt er sich im Bett hoch und wirft sich mit seinem ganzen Gewicht auf mich und stößt in mich hinein, als wollte er mich mit einem Breitschwert aufspießen.
Paris
Weihnachten 1470
K önig Ludwig von Frankreich ist so entzückt über unsere Heirat, dass er uns vor der Weihnachtszeit nach Paris einlädt und uns bittet, mit ihm zu feiern. Ich stehe im Zentrum der Aufmerksamkeit: die Tochter des Königsmachers, die zukünftige Königin von England.
Isabel folgt mir, sooft wir einen Raum betreten. Manchmal bückt sie sich und zupft meine Schleppe zurecht, wenn sie in einer Tür hängen geblieben ist, oder sie fegt die parfümierten Binsen zusammen. Sie dient mir, ohne zu lächeln. Ihr Groll und ihr Neid sind offensichtlich. Königin Margarete, meine werte Schwiegermutter, lacht über Isabels mürrisches Gesicht und tätschelt mir die Hand.
«Jetzt siehst du es. Wenn eine Frau zu Größe aufsteigt, wird sie jeder anderen zur Feindin. Wenn sie darum kämpft, ihre Größe zu erhalten, wird sie von allen gehasst, von Männern wie von Frauen. Im grünen Gesicht deiner Schwester siehst du deinen Triumph.»
Ich werfe von der Seite einen Blick auf Isabels mürrische Blässe. «Sie ist nicht grün.»
«Grün vor Neid», sagt die Königin lachend. «Aber egal. Morgen bist du sie los.»
«Morgen?», frage ich. Ich wende mich zu Isabel um, die neben mir auf dem Fenstersitz Platz nimmt. «Du reist morgen ab?»
Sie ist ebenso verblüfft wie ich. «Nicht dass ich wüsste.»
«O doch», sagt die Königin ruhig. «Du fährst nach London zu deinem Gemahl. Wir werden in Kürze folgen, mit der Armee.»
«Meine Mutter hat nichts davon gesagt», trotzt Isabel der Königin. «Ich bin nicht bereit.»
«Du packst heute Abend», erwidert die Königin nur. «Morgen reist du ab.»
«Entschuldigt mich bitte», sagt meine Schwester matt, steht auf, knickst tief vor der Königin und kurz vor mir. Ich knickse ebenfalls und haste hinter ihr hinaus. Sie stürmt die Galerie entlang zu meinen Gemächern, und erst an einem der wunderschönen Erkerfenster hole ich sie ein.
«Iz!»
«Noch ein Gewitter auf See ertrage ich nicht.» Isabel fährt zu mir herum. «Ich würde mich lieber umbringen, als noch einmal eine Überfahrt erdulden zu müssen.»
Obwohl ich weiß, dass es nicht sein kann, lege ich die Hand auf meinen Bauch, als fürchtete ich, auch ich könnte ein Kind erwarten und man würde es in eine Kiste stecken und in das dunkle, wogende Wasser werfen wie einst Isabels neugeborenen Sohn.
«Mach dich nicht lächerlich», sagt Isabel barsch. «Weder bist du gesegneten Leibes, noch stehst du kurz vor der Niederkunft. Ich hätte niemals an Bord gehen sollen. Ich hätte mich weigern sollen. Du hättest mir helfen müssen. Damals wurde mein Leben zerstört … und du hast es zugelassen.»
Ich schüttele den Kopf. «Iz, wie hätte ich mich, wie hätten wir uns Vater denn widersetzen sollen?»
«Und jetzt? Jetzt muss ich nach England zu
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