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Dornenschwestern (German Edition)

Dornenschwestern (German Edition)

Titel: Dornenschwestern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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wieder eine Neville. Du kannst wählen.»
    «Anne!», höre ich sie rufen. «Komm jetzt!»
    Ich winke ihr und bedeute ihr, dass Richard meine Zügel festhält. Sie versucht, ihr Pferd anzuhalten, doch die Wachen schließen von allen Seiten noch dichter auf und zwingen sie weiterzureiten. Eine Staubwolke steigt auf, während sie sie in ihrer Mitte auf der Straße nach London weitertreiben wie einen Schwan, fort von mir.
    «Ich muss mit ihr reiten, ich bin ihre Schwiegertochter», versetze ich nervös. «Ich habe ihr meine Treue geschworen, sie bestimmt über mich.»
    «Sie geht in den Tower», entgegnet er schlicht. «Zu ihrem schlafenden Gemahl. Ihr Leben ist vorbei, ihre Sache ist verloren, ihr Sohn und Erbe ist tot.»
    Ich schüttele den Kopf. Zu viel ist geschehen, zu schnell. «Wie ist er gestorben?»
    «Das spielt keine Rolle. Wichtig ist jetzt, was als Nächstes mit dir geschieht.»
    Ich sehe ihn an; mir ist jeglicher eigene Wille abhandengekommen. «Richard, ich bin verloren.»
    Er antwortet nicht einmal. Er hat an diesem Tag so viel Entsetzliches mit angesehen, dass meine Tränen ihm nichts bedeuten. «Ich kann also nicht mit der Königin gehen?»
    «Nein.»
    «Kann ich zu meiner Mutter?»
    «Nein. Außerdem wird man sie des Verrats anklagen.»
    «Kann ich hierbleiben?»
    «Nein.»
    «Was kann ich dann tun?»
    Er lächelt, als hätte ich endlich begriffen, dass ich mich mit ihm beraten muss, denn frei bin ich nicht. Ich bin eine Schachfigur, die wieder einmal den Besitzer gewechselt hat. Ein neues Spiel hat begonnen, und den nächsten Zug bestimmt er.
    «Ich bringe dich zu deiner Schwester Isabel.»

Worcester

Mai 1471
    E s ist natürlich auch Isabels Sieg. Sie gehört dem Hause York an, ist die treue Gemahlin des stattlichsten der drei Söhne von York. Isabel ist die Gemahlin des Siegers von Barnet, von Tewkesbury. Ihr Gemahl ist der Nächste in der Thronfolge nach Edwards kleinem Sohn, nur zwei Schritte von der wahren Macht entfernt. Wenn Edward stürbe, im Kampf dahingemetzelt, wenn Edwards Sohn stürbe – die Königin und die königliche Kinderstube im Tower werden immer noch von lancastrianischen Königstreuen belagert –, würde George König von England, und Isabel würde nicht nur die Ambitionen meines Vaters erfüllen, sondern auch ihr eigenes Schicksal. Dann wäre mein Vater nicht vergeblich gestorben, denn er hätte eine Tochter auf dem Thron von England. Nicht mich, sondern Isabel. Doch das wäre ihm egal. Es hat ihm nie viel daran gelegen, wer von uns beiden den Thron erlangte, solange es eine Tochter aus dem Hause Warwick war.
    Isabel empfängt mich in ihrem Privatkabinett in Gegenwart von drei mir unbekannten Hofdamen. Es ist, als begegnete ich einer Fremden unter unangenehmen Umständen. Ich trete ein und knickse, sie neigt den Kopf.
    «Iz.»
    Sie ist taub geworden, seit sie zu solcher Größe aufgestiegen ist. Sie sieht mich nur an.
    «Iz», sage ich nachdrücklicher.
    «Wie konntest du?», will sie wissen. «Wie konntest du nur mit ihr hierherkommen und das Land überfallen? Wie konntest du, Anne? Ihr wart zum Scheitern verurteilt, ihr hättet Schande über euch bringen können und habt dem Tod in die Augen gesehen.»
    Einen Augenblick lang bin ich erschrocken und starre sie an, als spräche sie Flämisch. Dann schweift mein Blick über die eifrigen Hofdamen, in deren Kreis sie sitzt, und ich begreife, dass wir das Hause York unterhalten sollen – in dieser Szene spielt sie die Loyalität, und mir ist die Rolle der Zerknirschung zugedacht.
    «Werte Schwester, ich hatte keine Wahl», sage ich ruhig. «Mein Vater hat meine Heirat mit dem Sohn von Margarete von Anjou befohlen, und sie hat angeordnet, dass ich sie begleite. Du erinnerst dich, dass ich diese Hochzeit nicht wollte, sie wurde allein auf Geheiß meines Vaters geschlossen. Sobald wir in England gelandet waren, bat ich darum, zu meiner Mutter zu dürfen. Dafür gibt es Zeugen.»
    Ich dachte, die Erwähnung unserer Mutter, die in ihrer Zuflucht trauert, würde Isabels Herz erweichen, doch ich hätte besser nichts gesagt. Ihr Gesicht verdüstert sich augenblicklich.
    «Unsere Mutter wird des Verrats angeklagt. Sie verliert ihre Besitzungen und ihr Vermögen. Sie wusste von der Verschwörung gegen König Edward, und sie hat ihn nicht gewarnt. Sie ist eine Verräterin», befindet sie.
    Wenn meine Mutter ihre Besitzungen verliert, verlieren Isabel und ich unser Erbe. Alles, was mein Vater besaß, ging auf dem Schlachtfeld verloren.

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