Dornenschwestern (German Edition)
Alles, was wir noch haben, ist das Vermögen meiner Mutter. Das kann Isabel unmöglich wegwerfen, denn dann ist sie arm. Ich werfe ihr einen ängstlichen Blick zu.
«Meine Mutter hat doch nur Schuld auf sich geladen, weil sie ihrem Gemahl gehorcht hat», werfe ich ein.
Izzy blickt mich finster an. «Unser Vater hat seinen König, seinen Freund verraten. Unsere Mutter ist ebenso schuldig wie er. Wir werden uns Edwards Gnade und Weisheit unterwerfen. Gott schütze den König!»
«Gott schütze den König!», wiederhole ich.
Isabel bedeutet den Frauen, sich ein Stück zu entfernen, und bittet mich, an ihrer Seite Platz zu nehmen. Ich sinke auf einen niedrigen Schemel und warte darauf, dass sie mir sagt, was ich tun soll, was sie mit all dem meint. Ich bin so müde und so überwältigt von der Niederlage, dass ich am liebsten den Kopf in ihren Schoß legen würde, wie früher, um mich von ihr in den Schlaf wiegen zu lassen.
«Iz», sage ich unglücklich. «Ich bin so müde. Was sollen wir jetzt machen?»
«Für Mutter können wir nichts tun», sagt sie ruhig. «Sie hat ihre Wahl getroffen. Sie wird für den Rest ihres Lebens in dem Kloster bleiben, in dem sie sich verschanzt hat.»
«Verschanzt?»
«Stell dich nicht so dumm an. Ich meine natürlich nicht verschanzt. Sie hat sich entschieden, dort zu leben und sich auf das Kirchenasyl zu berufen. Sie kann jetzt, da die Kämpfe vorüber sind, nicht einfach zurückkommen und erwarten, sie könnte so weitermachen wie gewohnt.»
«Was ist mit uns?»
«George ist als Bruder ein Begünstigter, ein Sohn des Hauses York. In den letzten beiden Schlachten hat er auf der richtigen Seite gekämpft. Darum wird mir nichts geschehen.»
«Und was ist mit mir?»
«Du wirst bei uns leben. Zurückgezogen, am Anfang, bis sich der Aufruhr um den Prince of Lancaster und die Schlacht gelegt hat. Du wirst meine Hofdame sein.»
Ich bin so tief gesunken, dass ich erleichtert bin, meiner Schwester dienen zu können, und sie gehört dem Hause York an. «Oh, dann diene ich also jetzt dir», sage ich.
«Ja», sagt sie knapp. «Natürlich.»
«Haben sie dir von der Schlacht von Barnet erzählt? Als Vater fiel?»
Zur Antwort zuckt sie die Achseln. «Eigentlich nicht. Ich habe nicht gefragt. Er ist tot, oder? Spielt es eine Rolle, wie er starb?»
«Wie ist er gestorben?»
Sie sieht mich an, und ihre Züge werden weicher, als verberge sich unter dieser vom Leben abgehärteten jungen Frau immer noch die Schwester, die mich liebt.
«Du weißt aber schon, was er getan hat?»
Ich schüttele den Kopf.
«Es heißt, dass er die Soldaten wissen lassen wollte, dass er nicht davonreiten und sie alleinlassen würde. Jeder Soldat, jeder einfache Mann weiß, dass hinter den Schlachtreihen die Pferdeknechte mit den Pferden der Lords bereitstehen für den Fall, dass sie verlieren. Dann können die Lords nach ihren Pferden rufen und fliehen. Sie überlassen es den Fußsoldaten, sich gegenseitig umzubringen, und reiten davon.»
Ich nicke.
«Vater sagte, er werde sich mit ihnen dem Tod stellen. Sie könnten darauf vertrauen, dass er dasselbe Wagnis einginge wie sie. Er rief nach seinem wunderschönen Schlachtross …»
«Nicht Midnight?»
«Doch, Midnight – sein schönes, überaus tapferes Schlachtross, mit dem er in viele Schlachten geritten ist. Und vor allen Männern, all den einfachen Soldaten, die niemals fliehen konnten, wenn sie die Schlacht verloren, zückte er sein prächtiges Schwert und stieß es Midnight in sein treues Herz. Das Pferd ging in die Knie, und Vater hielt seinen Kopf, als es verschied. Midnight starb mit seinem großen schwarzen Kopf in Vaters Armen. Vater streichelte ihm die Nüstern, bis er seine schwarzen Augen schloss.»
Ich bin entsetzt. «Ehrlich?»
«Er hat Midnight geliebt. Er hat es getan, um ihnen zu zeigen, dass dies eine Schlacht auf Leben oder Tod war, für sie alle. Er legte Midnights Kopf auf den Boden, stand auf und sagte zu den Männern: ‹Jetzt bin ich ein Fußsoldat wie ihr. Ich kann nicht davongaloppieren wie ein falscher Lord. Ich bin hier, um zu kämpfen bis in den Tod.›»
«Und dann?»
«Dann hat er gekämpft bis in den Tod.» Tränen laufen ihr über das Gesicht, und sie wischt sie nicht fort. «Sie wussten, dass er bis zum Schluss kämpfen würde. Er wollte nicht, dass jemand davonreitet. Es sollte die letzte Schlacht dieser langen Kriege um den Thron von England sein.»
Ich verberge das Gesicht in den Händen. «Iz … seit jenem
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