Dornenschwestern (German Edition)
schrecklichen Tag auf See ist alles für uns schiefgelaufen.»
Sie berührt mich nicht, sie legt mir weder den Arm um die Schultern, noch nimmt sie meine tränennassen Hände.
«Es ist vorbei.» Sie zieht ein Taschentuch aus dem Ärmel, trocknet sich die Augen, faltet es und steckt es wieder weg. Sie hat sich mit der Trauer abgefunden, mit unserer Niederlage. «Es ist vorbei. Wir haben gegen das Haus York gekämpft, und es stand immer fest, dass sie siegen. Sie haben Edward, und die Hexenkunst. Sie sind unschlagbar. Ich gehöre jetzt dem Hause York an, und sie werden England auf immer regieren. Als Mitglied meines Haushalts wirst auch du York treu sein.»
Ich drücke mir die Hände auf den Mund, und mein ängstliches Flüstern ist allein für ihre Ohren bestimmt. «Haben sie wirklich durch Hexenwerk gesiegt?»
«Ein Hexenwind hat mich beinahe ertränkt und mein Kind getötet», sagt sie, und ihre Stimme ist kaum zu hören, sodass ich mich an ihre Wange lehnen muss. «Derselbe Hexenwind hat das ganze Frühjahr über gewütet und uns im Hafen festgehalten, aber Edward hat er nach England geweht. Bei der Schlacht von Barnet waren Edwards Streitkräfte in einem Nebel verborgen, der sie, und nur sie, umwaberte und in dessen Schutz sie voranschlichen. Vaters Armee war auf einer Anhöhe gut zu sehen, mit ihrer Magie hat sie die yorkistischen Truppen verborgen. Solange er sie an seiner Seite hat, ist Edward nicht zu schlagen.»
Ich zögere. «Unser Vater hat im Kampf gegen sie sein Leben gelassen. Er hat Midnight geopfert, um gegen sie zu kämpfen.»
«Ich kann jetzt nicht an ihn denken», erwidert sie. «Ich muss ihn vergessen.»
«Ich nicht», sage ich fast wie zu mir selbst. «Ich werde ihn nie vergessen. Und Midnight auch nicht.»
Sie zuckt die Achseln, als interessierte es sie nicht, steht auf, streicht das Kleid über ihren schmalen Hüften glatt und rückt den goldenen Gürtel zurecht. «Du musst mit zum König kommen.»
«Muss ich?» Plötzlich habe ich Angst.
«Ja. Ich soll dich hinbringen. Achte darauf, nichts Falsches zu sagen. Tu nichts Dummes.» Sie betrachtet mich mit hartem, kritischem Blick. «Weine nicht. Gib keine Widerworte. Versuch dich zu betragen wie eine Prinzessin, auch wenn du keine bist.»
Bevor ich noch ein Wort sagen kann, winkt sie ihre Hofdamen herbei und verlässt den Raum. Ich folge ihr, und die drei Hofdamen schließen sich uns an. Ich achte sehr sorgfältig darauf, dass ich auf dem Weg durch die Burg zu den königlichen Gemächern nicht auf ihr Kleid trete. Ihre Schleppe gleitet über die Stufen, fegt durch die wohlduftenden Binsen in der großen Halle. Ich folge ihr wie ein Kätzchen einem Wollknäuel: blind, wie eine Närrin.
Man erwartet uns schon. Die Türen schwingen auf, und der große, gutaussehende Edward sitzt hinter einem mit Papieren übersäten Tisch. Er sieht nicht aus wie ein Mann, der gerade eine blutige Schlacht geschlagen, seinen einstigen Vormund umgebracht und einen verzweifelten Gewaltmarsch zu einer anderen Schlacht auf Leben und Tod angeführt hat. Er wirkt voller Leben, unermüdlich. Als die Türen aufgehen, blickt er auf, sieht uns und lächelt herzlich, als wären wir alle immer noch Freunde, als wären wir immer noch die kleinen Töchter seines großen Freunds und Mentors. Als würden wir ihn anhimmeln als den bezauberndsten älteren Bruder, den ein Mädchen sich wünschen kann.
«Ah, Lady Anne.» Er erhebt sich von seinem Platz, kommt um den Tisch und reicht mir die Hand. Ich sinke in einen tiefen Knicks, und er zieht mich hoch und küsst mich auf beide Wangen.
«Meine Schwester möchte dich um Vergebung bitten.» Isabels Stimme bebt vor Aufrichtigkeit. «Sie ist noch jung, sie ist keine fünfzehn, und sie hat meiner Mutter gehorcht, die schlechtes Urteilsvermögen bewiesen hat, und sie musste ihrem Vater gehorchen, der dich verraten hat. Doch ich werde sie in meine Obhut nehmen, und sie wird dir und den Deinen treu sein.»
Er blickt mich an. Er sieht aus wie ein stattlicher Ritter in einem Märchenbuch. «Du weißt, dass Margarete von Anjou geschlagen wurde und sich nie wieder gegen mich stellen wird?»
Ich nicke.
«Und dass ihre Sache keine verdienstvolle war?»
Ohne sie anzusehen, spüre ich, dass Isabel vor Angst zusammenzuckt.
«Ich weiß das jetzt», antworte ich vorsichtig.
Er lacht kurz auf. «Das genügt mir», sagt er entspannt. «Schwörst du, mich als deinen König und Lehnsherrn zu akzeptieren und das Erbe meines Sohnes und
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