Dornenschwestern (German Edition)
irrt?»
«O ja», entgegnet sie bitter. «Ich bin mir sicher. Es ist nicht das erste Mal, dass ich von einem Schlachtfeld fliehe, und vielleicht ist es auch nicht das letzte Mal. Sag ihnen, sie sollen die Pferde bringen. Ich hole meine Sachen.»
Sie eilt ins Haus, und ich laufe zum Stall und schüttele den alten Stallburschen und sage ihm, er solle sofort mein Pferd und das der Königin bringen.
«Was ist los?» Er lächelt zahnlos, und unzählige Falten breiten sich auf seinem Gesicht aus. «Ist Euch die Schlacht zu gefährlich, kleine Lady? Wollt Ihr jetzt schon weg? Ich dachte, Ihr wolltet erst aufbrechen, wenn Ihr einen Sieg errungen habt?»
«Bringt die Pferde heraus», erwidere ich knapp.
Auf dem Heuboden scheuche ich die zwei Männer auf, die uns beschützen sollen, und befehle ihnen, sich sofort zur Abreise fertig zu machen. Dann laufe ich ins Haus, um meinen Umhang und meine Reithandschuhe zu holen. Ich hüpfe auf dem Holzboden auf und ab, um meine Füße in die Reitstiefel zu zwängen. Ich eile wieder hinaus in den Hof, einen Handschuh habe ich schon übergestreift, den anderen halte ich in der Hand. Doch als ich ihnen zurufe, sie sollen mein Pferd zum Aufsitzblock bringen, kommen donnernde Hufschläge näher, und am Tor zum Hof drängen sich plötzlich fünfzig Pferde, mittendrin der schwarze Lockenkopf von Richard, Duke of Gloucester, der Freund meiner Kindheit, Mündel meines Vaters und Bruder von Edward of York. Neben ihm erkenne ich Robert Brackenbury, seinen Freund aus Kindertagen, ihm unverändert treu. Unsere beiden Männer händigen ihre Piken aus und legen ihre Jacken ab, als wären sie froh, die Abzeichen der roten Rose und das Zeichen mit dem Schwan meines Gemahls, Prinz Edward, los zu sein.
Richard reitet auf seinem großen grauen Schlachtross direkt vor den Aufsitzblock, auf dem ich stehe wie eine Märtyrerin, als dächte er, ich würde hinter ihm aufsitzen.
«Lady Anne», sagt er mit grimmigem Gesichtsausdruck.
«Prinzessin», erwidere ich matt. «Ich bin Prinzessin Anne.»
Er nimmt seinen Hut ab. «Prinzessinwitwe», verbessert er mich.
Im ersten Augenblick begreife ich nicht, was er meint. Dann schwanke ich, und er streckt eine Hand aus, damit ich nicht falle.
«Mein Gemahl ist tot?»
Er nickt.
Ich sehe mich nach seiner Mutter um. Sie ist noch im Kloster. Sie weiß es noch nicht. Das ist so entsetzlich, dass es schier über meinen Verstand geht. Ich glaube, wenn sie diese Nachricht hört, wird sie sterben. Ich weiß nicht, wie ich es ihr beibringen soll.
«Durch wessen Hand?»
«Er fiel während der Schlacht. Er ist den ehrenwerten Tod eines Soldaten gestorben. Ich nehme dich jetzt, gemäß dem Befehl meines Bruders, König Edward, in Gewahrsam.»
Ich beuge mich vor, lege eine Hand flehentlich auf die Mähne seines Pferds und blicke in seine freundlichen braunen Augen. «Richard, um Gottes willen, um meines Vaters willen und um deiner selbst willen, lasst mich zu meiner Mutter gehen. Ich glaube, sie ist irgendwo in einem Kloster namens Beaulieu. Und mein Vater ist tot. Lasst mich zu meiner Mutter gehen. Dort steht mein Pferd, lasst mich aufsitzen und gehen.»
Sein junges Gesicht ist ernst; es ist, als wären wir Fremde, als hätte er mich noch nie im Leben gesehen. «Es tut mir leid, Prinzessinwitwe. Mein Befehl ist eindeutig und lautet, dich und Ihre Hoheit, Margarete von Anjou, in Gewahrsam zu nehmen.»
«Und was ist mit meinem Gemahl?»
«Er wird hier beigesetzt. Mit Hunderten, Tausenden anderen.»
«Ich muss es seiner Mutter sagen», entgegne ich. «Kann ich ihr sagen, wie er starb?»
Er weicht meinem Blick aus, als fürchtete er sich, mir in die Augen zu sehen, was meinen Verdacht bestätigt. Genau diesen Gesichtsausdruck hat er immer aufgesetzt, wenn er im Schulzimmer bei kleineren Vergehen erwischt wurde.
«Richard!», fahre ich anklagend auf. «Hast du ihn getötet? Oder Edward? Oder George?»
Die Söhne von York halten wieder zusammen.
«Er ist in der Schlacht gefallen», wiederholt Richard. «Er ist den Tod eines Soldaten gestorben. Seine Mutter kann stolz sein auf seine Tapferkeit. Du auch. Und jetzt muss ich dich bitten, aufzusitzen und mit mir zu kommen.»
Die Tür zum Kloster geht auf, er blickt hoch und sieht sie langsam die Stufen herunter in den Sonnenschein treten. Sie hat ihren Reiseumhang über dem Arm und einen kleinen Ranzen auf dem Rücken. Sie haben uns im letzten Augenblick aufgehalten, beinahe wären wir davongekommen. Sie erblickt die
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