Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dornenschwestern (German Edition)

Dornenschwestern (German Edition)

Titel: Dornenschwestern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
Vom Netzwerk:
und Küchenmagd, niemand wird uns eines zweiten Blickes würdigen.»
    Das große Tor steht offen, wie immer herrscht ein reges Kommen und Gehen, und wir huschen mit einigen Milchmädchen hinaus, die ihre Kühe vor sich hertreiben. Niemand sieht uns, niemandem wird auffallen, dass ich fort bin.
    Die Hausdiener werden annehmen, ich sei mit meiner Schwester und ihren Hofdamen an den Hof gegangen, und erst, wenn sie in ein paar Tagen nach Hause kommen, werden sie merken, dass ich geflohen bin. Bei dem Gedanken lache ich laut auf, und Richard, der in den geschäftigen Straßen meine Hand hält, wendet sich lächelnd zu mir um und lacht plötzlich ebenfalls, als wäre dies der Beginn eines großen Abenteuers, als wären wir Kinder, die sich einen Spaß daraus machen wegzulaufen.
    Als wir zu der Stiftskirche im Windschatten der St. Paul’s Cathedral kommen, wird es schon dunkel. Die Seitentür zur Kanzlei steht offen, zahlreiche Menschen schieben sich hinein und hinaus. Drinnen ist ein Markt, an Ständen verkaufen Leute alle möglichen Waren, Geldwechsler gehen ihrer Arbeit nach, in den Ecken werden heimliche Geschäfte abgeschlossen. Die Menschen tragen Kapuzen und sind gegen den kalten Nebel eingehüllt, der vom Fluss heraufzieht, sie sehen sich mit gesenkten Köpfen um.
    Ich zögere. Ist es hier wirklich sicher? Richard schaut auf mich herab.
    «Ich habe ein Gemach für dich vorbereiten lassen, du musst dich nicht unter das gemeine Volk mischen», sagt er beruhigend. «Sie geben hier allen möglichen Leuten Kirchenasyl: Kriminellen, Falschmünzern, Fälschern und gewöhnlichen Dieben. Doch du bist hier sicher. Die Kirche ist stolz auf ihr Privileg des Kirchenasyls – sie lassen niemals jemanden im Stich, der sich auf die Sicherheit der Kirche beruft. Selbst wenn George herausfindet, wo du bist, und verlangt, dass sie dich herausgeben, werden sie es nicht zulassen. Diese Stiftskirche ist weithin bekannt dafür, dass sie hier keine Zugeständnisse macht.» Er lächelt. «Wenn es sein müsste, würden sie sich sogar meinem Bruder, dem König, widersetzen.»
    Er zieht meine kalte Hand unter seinen Arm, und wir treten ein. Im Turm über uns erklingt die Abendglocke. Einer der Mönche erkennt Richard und führt uns wortlos zum Gästehaus des Klosters.
    Ich fasse Richards Hand fester.
    «Hier bist du in Sicherheit», wiederholt er.
    An der Tür tritt der Mönch zur Seite, und Richard führt mich in ein kleines Zimmer, ähnlich einer Zelle. Dahinter liegt ein noch kleinerer Raum, kaum mehr als ein Alkoven, wo ein schmales Bett steht. Am Kopfende hängt ein Kreuz an der Wand. Eine Magd erhebt sich von einem Schemel am Kamin und knickst kurz vor mir.
    «Ich bin Megan», sagt sie, doch wegen ihres starken nördlichen Akzents sind ihre Worte kaum zu verstehen. «Mein Lord hat mich gebeten, dafür zu sorgen, dass Ihr es hier behaglich habt.»
    «Megan bleibt bei dir, und wenn es Schwierigkeiten gibt, schickt sie nach mir oder kommt persönlich», sagt Richard. Er löst das Schnürband des Umhangs unter meinem Kinn. Als er mir den Umhang von den Schultern nimmt, streichen seine Finger in einer zärtlichen Liebkosung über meine Haut. «Hier bist du sicher, ich komme morgen.»
    «Sie werden mich vermissen, wenn sie nach Hause kommen», erinnere ich ihn.
    Er lächelt belustigt. «Sie werden fuchsteufelswild sein, doch sie können nichts tun; das Vögelchen ist ausgeflogen und wird bald ein anderes Nest finden.»
    Er senkt seinen dunklen Kopf und küsst mich behutsam auf die Lippen. Seine Berührung weckt Sehnsucht nach mehr, er soll mich so küssen wie vorhin, als er verkleidet zu mir kam wie ein Ritter in einem Märchen, der eine gefangen gehaltene Dame befreit. Bei dem Gedanken, dass er mein Retter ist, hole ich Luft und schmiege mich an ihn. Er schlingt einen Augenblick fest die Arme um mich.
    «Ich komme morgen Mittag», sagt er und lässt mich allein.
    Meine erste Nacht in Freiheit. Ich blicke durch das kleine Bogenfenster auf die geschäftige Straße, die düster im Schatten von St. Paul’s liegt. Ich bin frei, doch ich darf das Gelände der Kirche nicht verlassen und mit niemandem reden. Megan ist meine Dienerin, aber sie ist auch hier, um auf mich aufzupassen. Ich bin frei, doch innerhalb der Kirchenmauern gefangen. Wenn Richard morgen nicht kommt, bin ich eine Gefangene, wie Königin Margarete im Tower, wie meine Mutter in Beaulieu.

St. Martin’s, London

Februar 1472
    E r kommt, wie versprochen. Sein junges Gesicht ist

Weitere Kostenlose Bücher