Dornenschwestern (German Edition)
heiraten, wir werden die Erlaubnis erhalten, und sie wird die Eheschließung rechtlich absichern. Vor Gott ist sie auf jeden Fall gültig, wenn wir unseren Eid vor einem Priester sprechen.»
Ich zögere.
«Oder willst du mich nicht heiraten?» Er sieht mich mit einem wissenden Lächeln an. Er weiß, dass ich ihn heiraten will und dass mein Herz schneller schlägt, wenn seine Hand die meine berührt, so wie jetzt, und er sich vorbeugt, sein Gesicht sich dem meinen nähert und er mich küsst.
«Doch.» Es stimmt, ich will ihn unbedingt heiraten, ich will endlich dieses Halbleben im Kirchenasyl hinter mir lassen. Abgesehen davon bleibt mir nichts anderes übrig.
St. Martin’s, London
Mai 1472
Z um zweiten Mal in meinem Leben bin ich eine Braut und gehe den Mittelgang hinauf zum Hochaltar, wo ein junger, gutaussehender Bräutigam an den Altarstufen auf mich wartet. Ich kann nicht anders, als an Prinz Edward zu denken, der dort auf mich gewartet hat, ohne zu wissen, dass unsere Verbindung ihn in den Tod führen würde. Wir waren nur vierundzwanzig Wochen verheiratet, bevor er aufbrechen musste, um seinen Anspruch auf den Thron geltend zu machen, und er ist nicht zurückgekehrt.
Dieses Mal ist es anders – dieses Mal heirate ich aus eigenem Antrieb und werde weder von einer furchteinflößenden Schwiegermutter beherrscht, noch gehorche ich blind meinem Vater. Ich bestimme mein Schicksal selbst, zum ersten Mal nehme mich mein Leben in die eigenen Hände. Ich bin fünfzehn, ich wurde verheiratet, und dann wurde ich Witwe, die Schwiegertochter der Königin von England und das Mündel eines königlichen Herzogs. Für jeden Spieler war ich eine Schachfigur; doch jetzt treffe ich selbst die Entscheidung, mache meine eigenen Züge.
Richard steht vor dem Altar, vor ihm unser Verwandter, Erzbischof Bourchier, mit dem aufgeschlagenen Messbuch. Ich sehe mich in der Kapelle um. Sie ist leer wie bei der Beisetzung eines Armen. Wer käme darauf, dass hier die Hochzeit einer Prinzessinwitwe und eines königlichen Herzogs stattfindet? Meine Schwester ist nicht hier – sie ist jetzt meine Feindin. Meine Mutter kann nicht hier sein – sie ist immer noch in Gefangenschaft. Und auch nicht Vater – ihn werde ich nie wiedersehen. Er starb, als er mich auf den Thron von England setzen wollte, und seine Hoffnungen wurden mit ihm zu Grabe getragen. Ich fühle mich sehr allein, als ich den Mittelgang hinaufgehe. Meine Lederschuhe berühren die Gedenksteine, wie um mich daran zu erinnern, dass hier, in endloser Dunkelheit, all diejenigen liegen, die dachten, sie würden über ihr eigenes Leben bestimmen.
Die Ironie unseres Schicksals ist, dass wir nirgends hinkönnen. Ich besitze das größte Erbe in England: Mir gehören, wenn wir es zurückgewinnen, viele hundert Häuser und mehrere Burgen, und ich habe diesen Besitz meinem Gemahl übergeben, der selbst ein wohlhabender junger Mann ist mit Einkünften aus einigen der größten Grafschaften Englands, und doch haben wir kein Zuhause. Er kann mich nicht mit nach London, nach Baynard’s Castle nehmen, weil dort seine Mutter lebt, und die respekteinflößende Herzogin Cecily hat mich als eiserne Schwiegermutter meiner Schwester schon das Fürchten gelehrt; als meine Schwiegermutter wird sie mich in Angst und Schrecken versetzen. Ich wage es nicht, ihr unter die Augen zu treten, nachdem ich heimlich gegen den Willen seiner älteren Brüder ihren Jüngsten geheiratet habe.
Zu George und Isabel, die gewiss außer sich sind vor Zorn, wenn sie von meiner Heirat hören, können wir natürlich auch nicht, und den Umhang des Küchenmädchens wieder umzulegen und in das Gästehaus von St. Martin’s zurückzugehen weigere ich mich rundweg. Am Ende lädt unser Verwandter, der Erzbischof Thomas Bourchier, uns in seinen Palast ein, und wir können so lange bleiben, wie wir wollen. Damit wird deutlich, dass er etwas mit unserer heimlichen Eheschließung zu tun hat, doch Richard flüstert mir zu, dass der Erzbischof die Trauzeremonie niemals ohne Edwards Erlaubnis abgehalten hätte. In England geschieht kaum etwas ohne das Wissen des York-Königs und die Zustimmung seiner Königin. Wenn ich gedacht habe, wir seien rebellische Liebende, die im Geheimen handelten, aus Liebe heirateten und uns für die Flitterwochen versteckten, so habe ich mich getäuscht. Ich habe gedacht, ich würde mein eigenes Leben planen, ohne das Wissen anderer; dabei haben der König und meine Feindin, die grauäugige
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