Dornenschwestern (German Edition)
Mann.
Er lächelt, und sein Blick verrät mir, dass er mein Zögern versteht, sich aber nicht darum schert. Ich schiebe den Fuß hinein, und er zieht den Stiefel über meine Wade. Dann nimmt er die weichen Lederbänder und schnürt den Stiefel an meinem Knöchel, an meiner Wade und dicht unter dem Knie. Er sieht zu mir auf, die Hand sanft auf meinem Fuß. Durch das weiche Leder spüre ich seine Wärme. Ich stelle mir vor, wie ich meine Zehen bei seiner Berührung vor Verzückung spreize.
«Anne, willst du mich heiraten?», fragt er.
«Dich heiraten?»
Er nickt. «Nachdem ich dich ins Kirchenasyl gebracht habe, suche ich einen Priester. Wir können heimlich heiraten. Dann kann ich mich um dich kümmern und dich beschützen. Dann bist du meine Frau, und Edward wird dich als Schwägerin willkommen heißen. Wenn du in meiner Obhut bist, wird Edward dir deinen Anteil am Erbe deiner Mutter zusprechen. Meiner Frau wird er so etwas nicht verweigern.»
Er hält mir den anderen Stiefel hin, ohne meine Antwort abzuwarten. Ich schiebe den Fuß hinein. Wieder knotet er die Bänder behutsam um Knöchel, Wade und Knie. Seine Sorgfalt, wie er sich langsam mein Bein hinaufarbeitet, hat etwas sehr Sinnliches. Ich schließe die Augen und gebe mich der Sehnsucht hin, dass seine Finger zart über meine Oberschenkel streichen. Er fasst den Saum meines Rockes und zieht ihn bis zu meinen Knöcheln, als wollte er meine Sittsamkeit verteidigen, als könnte ich ihm vertrauen. Er kniet immer noch vor mir und blickt voller Begehren zu mir auf.
«Sag ja», flüstert er. «Heirate mich.»
Ich zögere und schlage die Augen auf. «Du bekommst mein Vermögen», bemerke ich. «Wenn ich dich heirate, gehört alles, was ich besitze, dir. Genau wie George alles gehört, was Isabel besitzt.»
«Deswegen kannst du darauf vertrauen, dass ich für dich darum kämpfe. Wenn deine und meine Interessen dieselben sind, kannst du sicher sein, dass ich mich um dich ebenso gut kümmere wie um mich selbst. Du bist mein und wirst feststellen, dass ich mich um die Meinen kümmere.»
«Wirst du mir treu sein?»
«Treue ist mein Motto. Wenn ich dir mein Wort gebe, kannst du mir vertrauen.»
Ich zögere noch einen Augenblick.
«Oh, Richard, seit mein Vater sich gegen deinen Bruder gewandt hat, ist mein Leben aus der Bahn geraten. Seit seinem Tod hat mich jeden Tag Kummer geplagt.»
Er nimmt meine Hände in seine. «Ich weiß. Ich kann deinen Vater nicht zurückbringen, doch ich kann dich zurück in seine Welt bringen: an den Hof, in die Paläste, du wirst wieder in die Thronfolge aufgenommen, so wie er es wollte. Ich kann seine Ländereien für dich zurückgewinnen, du wirst Lehnsherrin, du kannst seine Pläne in die Tat umsetzen.»
Lächelnd schüttele ich den Kopf, obwohl ich Tränen in den Augen habe. «Das ist unmöglich. Er hatte sehr große Pläne. Er hat mir versprochen, ich würde Königin von England werden.»
«Wer weiß?», sagt er. «Wenn Edward etwas zustoßen sollte und seinem Sohn und George – was Gott verhüten möge! –, würde ich König.»
«Es ist sehr unwahrscheinlich», erwidere ich, während ich förmlich höre, wie mein Vater mir, von Ehrgeiz getrieben, eindringlich ins Ohr flüstert.
«Nein», pflichtet er mir bei. «Besonders wahrscheinlich ist es nicht. Doch wenn jemand weiß, dass man die Zukunft nicht voraussagen kann, dann wir beide; niemand weiß, was geschieht. Denk daran, wer du jetzt sein könntest. Ich kann dich zur königlichen Herzogin machen. Du könnest mich zu einem wohlhabenden Mann machen. Ich kann dich auf eine gesellschaftliche Stufe mit deiner Schwester stellen und dich gegen ihren Gemahl verteidigen. Ich werde dir ein treuer Gemahl sein. Und – ich glaube, das weißt du, nicht wahr? – ich liebe dich, Anne.»
Mir ist, als hätte ich zu lange in einer lieblosen Welt gelebt. Das letzte zärtliche Gesicht, das ich sah, war das meines Vaters, als er nach England segelte.
«Wirklich?»
«Ja.» Er erhebt sich und zieht mich hoch. Mein Kinn reicht bis zu seiner Schulter, wir sind beide zierlich, haben lange Beine, wie Fohlen, wir passen gut zusammen. Ich blicke ihn an. «Willst du mich heiraten?», flüstert er.
«Ja», antworte ich.
Meine Habseligkeiten passen in ein Bündel. Er hat mir den Umhang einer Küchenmagd mitgebracht, unter dessen Kapuze ich mein Gesicht verbergen kann.
«Der stinkt nach Fett!», protestiere ich, als er ihn mir umlegt.
Er lacht. «Umso besser. Wir verlassen das Haus als Diener
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