Dornenschwestern (German Edition)
in einer verzauberten Burg, und er ist der Ritter, der zu meiner Rettung herbeieilt. Eine sehr unangenehme Situation – ich fühle mich vollkommen machtlos. Und ich kann mich bei niemandem beklagen.
Er besucht mich jeden Tag, manchmal bringt er knospende Zweige mit oder eine Handvoll gelber Narzissen, als Zeichen des Frühlings, der Jahreszeit des Werbens, wenn ich wieder eine Braut sein werde. Er schickt mir eine Näherin, die mir etwas Neues für den Hochzeitstag fertigen soll, und einen Vormittag verbringe ich mit der Anprobe eines Kleids aus Samt in einem hellen Goldton und eines Unterrocks aus gelber Seide. Die Kammerzofe kommt ebenfalls und fertigt mir einen hohen Hennin mit einem Schleier aus Goldspitze. In dem Spiegel erblicke ich mein Ebenbild, ein schlankes, großes Mädchen mit ernstem Gesicht und dunkelblauen Augen. Ich lächele mein Spiegelbild an, doch nie werde ich so fröhlich aussehen wie die Königin, nie werde ich die warme, entspannte Liebenswürdigkeit ihrer Mutter Jacquetta und der übrigen Frauen der Familie besitzen. Sie sind – im Gegensatz zu mir – nicht mitten im Krieg aufgewachsen, sie waren immer selbstbewusst in ihrer Macht, während ich stets Angst davor hatte.
Die Kammerzofe steckt mein rotbraunes Haar zu einer hohen Frisur auf. «Ihr werdet eine wunderschöne Braut sein», versichert sie mir.
Eines Morgens kommt Richard mit ernster Miene herein.
«Ich wollte zu Edward, um ihm zu sagen, dass wir heiraten, sobald der päpstliche Dispens da ist, doch wie es scheint, kommt das Kind der Königin zu früh. Ich habe ihn nicht angetroffen, er ist in Windsor, um in ihrer Nähe zu sein.»
Unvermittelt muss ich an Isabels schwierige Geburt auf See denken: ein Albtraum, weil der Hexenwind der Königin das Schiff herumwarf wie eine Erbsenschote auf einem Fluss und wir das Kind, den ersten Enkel meines Vaters, verloren. Ich habe nicht das geringste Mitgefühl mit der Königin, doch das muss ich für mich behalten, denn Richard ist seinem Bruder treu und liebt dessen Frau und Kinder sehr.
«Oh, das tut mir leid», sage ich unaufrichtig. «Aber hat sie nicht ihre Mutter bei sich?»
«Die Herzoginwitwe ist krank», sagt er. «Man erzählt sich, es sei das Herz.» Verlegen sieht er mich an. «Es heißt, ihr Herz sei gebrochen.»
Mehr muss er nicht sagen. Jacquettas Herz wurde gebrochen, als mein Vater ihren Gemahl und ihren geliebten jüngsten Sohn exekutierte. Doch sie hat sich Zeit gelassen mit dem Sterben – über zwei Jahre. Und sie ist nicht die einzige Frau, die einen geliebten Menschen verloren hat. Mein Gemahl starb in diesen Kriegen und mein Vater ebenfalls. Wer hat je Rücksicht auf meine Trauer genommen?
«Wie leid mir das tut», sage ich.
«Die Wechselfälle des Krieges.» Er greift auf die übliche tröstliche Floskel zurück. «Deswegen konnte ich Edward vor seiner Abreise nicht mehr sprechen. Jetzt wird er ganz mit der Königin und dem Neugeborenen beschäftigt sein.»
«Was sollen wir machen?» Wieder einmal scheine ich nichts ohne das Wissen und die Erlaubnis der Königin unternehmen zu können, und sie wird wohl kaum meine Heirat mit ihrem Schwager erlauben, wenn sie überzeugt ist, ihre Mutter würde wegen meines Vaters vor Kummer sterben. «Richard, ich kann nicht darauf warten, dass die Königin dem König zu unseren Gunsten zuredet. Ich glaube, sie wird meinem Vater niemals vergeben.»
Entschlossen schlägt er mit der Hand auf den Tisch. «Ich weiß, was wir machen! Wir heiraten jetzt und sagen es ihnen erst, wenn die Erlaubnis des Papstes da ist.»
Ich sehe ihn mit großen Augen an. «Geht das denn?»
«Warum nicht?»
«Weil die Ehe dann nicht rechtsgültig wäre?»
«Vor Gott ist sie es, und sobald der päpstliche Dispens da ist, ist sie es auch vor den Menschen.»
«Aber mein Vater …»
«Wenn dein Vater dich mit Prinz Edward verheiratet hätte, ohne diese Erlaubnis abzuwarten, hättet ihr alle zusammen in See stechen können und hättet in Barnet gesiegt.»
Bedauern trifft mich wie ein Schwerthieb. «Ehrlich?»
Er nickt. «Ja. Ihr habt den päpstlichen Dispens sowieso bekommen, und er hat euch keinen Tag schneller erreicht, weil ihr in Frankreich darauf gewartet habt. Doch wenn Margarete von Anjou, der Prinz und du zusammen mit deinem Vater in See gestochen wärt, hätte er seine gesamten Streitkräfte in Barnet gehabt und uns mit der Unterstützung der Lancaster-Truppen geschlagen. Auf die Heiratserlaubnis zu warten war ein großer Fehler. Wir
Weitere Kostenlose Bücher