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Dornentöchter

Dornentöchter

Titel: Dornentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josephine Pennicott
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können, aber wenn ich ihn angesprochen hätte, vielleicht hätte er sein grässliches Vorhaben dann unterlassen.«
    »Oder stattdessen Sie umgebracht«, meinte Sadie. »Es ist so frustrierend, aber ich habe das Gefühl, als stünde ich kurz vor der Lösung, nur gelingt es mir irgendwie nicht, die einzelnen Puzzlestücke zusammenzusetzen.«
    »Es ist vernünftiger, sich auf die Gegenwart zu konzentrieren, meine Liebe.« Birdie griff nach Jeans Brief. »Wenn das Medium einen Bruder hatte, wäre es dann möglich, dass die beiden zusammen hinter dieser Sache stecken? Er könnte der Mann sein, den ich im Nebel erahnt habe.«
    »Am Abend des Mördersuchspiels haben Sie ihn aber nicht gesehen?«, wollte Sadie wissen. Sie starrte den Brief an und fragte sich wieder, weshalb Pearl diesen Brief zusammen mit ihren besonderen Schätzen weggeschlossen, statt bei ihren üblichen Unterlagen aufbewahrt hatte.
    »Nein.« Birdie klopfte mit dem Brief sachte gegen ihre Hand und kniff die Augen zusammen, während sie versuchte, sich an den Abend vor so vielen Jahren zu erinnern. »Aber ich weiß, wer etwas gesehen haben könnte.« Sie zeigte auf den Garten hinterm Haus.
    »Thomasina? Aber sie war doch noch ein Kind. Sie hat behauptet gesehen zu haben, wie der Tasmanische Teufel ihre Mutter angegriffen hat!«
    »Ich brauche sie gar nicht erst danach zu fragen, denn sie hat mich nie leiden können«, erklärte Birdie auf ihre unverblümte Art. »Aber wenn Sie beide ein bisschen nachbohren, vielleicht könnte sie sich dann an mehr erinnern. Ich glaube, sie hat an jenem Abend der Party etwas Seltsames gesagt: Sie hätte draußen einen Geist gesehen. Ich dachte damals, es wäre einer ihrer üblichen Versuche, Aufmerksamkeit zu bekommen, aber was, wenn sie es sich doch nicht eingebildet hat? Vielleicht war das der Bruder dieser Jean. Falls er einmal beim Poet’s Cottage war, dann hätte er problemlos ein weiteres Mal zurückkommen können …« Sie blickte auf die Uhr und stellte erstaunt fest, wie spät es war. »Jetzt muss ich aber wirklich gehen! Ich muss noch ein paar Blumengestecke für den Gemeindesaal machen.« Dann fügte sie mit einem schelmischen Lächeln hinzu: »Wie ich höre, entwickelt sich da eine Freundschaft zwischen Simon Parish und Ihnen? Er ist ein liebenswürdiger Mann, der Simon. Ein wunderbarer Gärtner. Er hat unserer kleinen Schule so viel Gutes gebracht.«
    Sadie warf Betty einen vielsagenden Blick zu, bevor sie Birdie an die Tür brachte. Siehst du? In dieser Stadt bleibt nichts geheim. Als die beiden Frauen den nach Lavendel duftenden Flur entlanggingen, blieben sie vor Pearls Porträt stehen.
    »Meine liebe Freundin«, seufzte Birdie. »So verloren und so schön.« Sie drehte sich um und sah Sadie und Betty an. Im Licht der offenen Tür schien sie von einer leuchtenden Aura umgeben zu sein, fast so, als trete sie zwischen zwei Welten hindurch. »Dieses Haus hat auf Sie gewartet«, erklärte sie. »Hört sich das abstrus an? Ich habe das Gefühl, als hätte sich das Poet’s Cottage beruhigt und als wäre es zufrieden mit seinen neuen Besitzern. Thomasina hat sich mit Ihrer kleinen Tochter angefreundet, obwohl sie ihr Leben lang den Menschen aus dem Weg gegangen ist. Violet hat Kontakt zu etwas aufgenommen, das nicht vier Beine und ein wolliges Fell hat. Die Geister sind zur Ruhe gekommen.«
    »Dann glauben Sie also doch an etwas?«, neckte Sadie sie.
    Birdie legte den Kopf schief. »Wenn wir die Vergangenheit nicht loslassen können, dann lassen wir dadurch das auferstehen, was eigentlich ruhen sollte«, sagte sie schließlich. »Es spukt, wenn man die Tür zur Erinnerung öffnet und zu lange dort verweilt.« Sie blickte sich mit einem traurigen Lächeln im Haus um. »Ich kann Pearl überall im Poet’s Cottage spüren«, meinte sie. »Aber jetzt kann ich auch Sie hier spüren. Das Leben erholt sich vom Tod, der zum Leben gehört. Ich vermisse Maxwell jede Sekunde jedes Tages – aber in einem Reich außerhalb der Zeit gehört er zu mir.« Sie lächelte, als sie Sadie von der Türschwelle aus betrachtete. »Wie Sie da so stehen, könnten Sie Pearl sein.«
    Sadie sah der alten Dame nach, die sich forschen Schrittes die Straße hinunter entfernte.
    »Hat man hier denn nie seine Ruhe?« Thomasina blickte finster drein, als sie Betty und Sadie vor ihrer Tür stehen sah. »Zuerst rennen Violets Schafe durch mein Haus und jetzt ihr beide! Was hat Birdie Pinkerton behauptet? Ach, ihr braucht euch gar nicht so

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