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Dornentöchter

Dornentöchter

Titel: Dornentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josephine Pennicott
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Lippenstift geschminkt. Sie erregte eine Menge Aufsehen. Es waren nicht nur ihre Kleider, sondern auch ihre Art zu gehen: Sie stolzierte mehr, als dass sie ging. Mit schwingenden Hüften, die üppigen Brüste herausgestreckt, und ein Lächeln im Gesicht, als wäre sie sich ihres Effektes die ganze Zeit voll bewusst. Sie war wirklich die Größte. Die Einheimischen versammelten sich auf der Straße, um einen Blick auf sie zu erhaschen. Männer und Frauen riskierten gleichermaßen einen steifen Nacken, so sehr verrenkten sie sich die Köpfe. Es hatte in Pencubitt nicht mehr so viel Aufregung gegeben, seit vor ein paar Jahren der Zirkus hier gastiert hatte. Ich war so mit Staunen beschäftigt, dass ich Maxwell und die beiden kleinen Mädchen, ungefähr neun und sieben Jahre alt, gar nicht bemerkt hatte, die mit Einkaufstüten in der Hand einige Schritte hinter mir gingen.
    »Hallo, Birdie!«, rief er. »Pearl, bleib mal stehen!«
    Die Erscheinung brach ihre Eroberung der Pencubitt High Street ab und drehte sich langsam zu mir um. Ihre dunklen, kajalumrahmten Augen ruhten auf mir. Ein schwerer, fast überwältigender Duft benebelte meine Sinne. Das Parfüm, das sie stets trug: Shalimar . Ich war schüchtern, meine Handflächen wurden feucht, und ich fühlte mich in der Anwesenheit dieser Göttin sofort völlig unzulänglich. Ich drückte meinen Stapel Bücher aus der Bibliothek an die Brust und wünschte mir, ich könnte darin verschwinden. Mich einfach in den Sätzen, Fotografien und Gemälden der Künstler auflösen, die ich bewunderte.
    »Pearl, das ist Birdie Pinkerton, von der ich dir so oft erzählt habe. Erinnerst du dich? Sie schreibt Gedichte und zeichnet. Ich habe dir ihr Buch gezeigt, Historische Gebäude von Pencubitt .« Maxwells Tonfall war begeistert und sein jugendliches Gesicht leuchtete vor Leidenschaft und Optimismus, die er besaß, bis das Leben sie in ihm auslöschte. »Ich kenne Birdie schon ewig. Ihre Mutter hat auf mich aufgepasst, als ich noch ein Knirps war. Meiner Meinung nach ist sie das Beste an Pencubitt. Birdie, du hast mir damals prophezeit, ich würde zurückkommen, und wie immer hattest du recht. Ihr zwei werdet euch sicher blendend verstehen.« Der arme Maxwell hatte ja keine Ahnung, wie abschreckend eine solche Aussage für das weibliche Geschlecht sein konnte! In mancher Hinsicht war er so weltgewandt, in anderer so naiv. Maxwell war in Pencubitt immer hoch angesehen gewesen, da er aus einer der wohlhabenderen, alteingesessenen Familien der Stadt stammte. Sein Vater, Maxwell Lin, Manager der Holzfirma Cooper and Tatlow Brothers, war ein gutaussehender, distinguierter grauhaariger Herr. Er liebte die Kinder von Pencubitt und war stets damit beschäftigt, Wohltätigkeitsveranstaltungen zu organisieren, um die weniger begünstigten Mitbürger zu unterstützen. Enid, Maxwells extravagante Mutter, gab mit ihren modischen Kleidern und Partys dem örtlichen Tratsch Futter. Als die Tatlows unerwartet nach Launceston zogen, war das für unsere Gemeinde ein echter Verlust. Als Grund gaben sie an, so näher bei ihrem angebeteten einzigen Sohn zu sein, als der ein Privatinternat besuchte. Da ich den wahren Grund hinter dem plötzlichen Umzug kannte, war der Schock für mich geringer als für viele in Pencubitt, als die Zeitungen über den Tod der hübschen, lebensfrohen Enid Tatlow berichteten. Maxwell hatte lange gebraucht, um sich vom Tod seiner Mutter zu erholen. Im Lauf der Jahre wurden seine Besuche in Pencubitt seltener, denn ich nehme an, dass die Stadt ihn zu sehr an sie erinnert hat.
    Pearl musterte meine dunklen, gewellten Haare, die ich mit einem Band zurückgebunden hatte. Meine grünen Augen, das bleiche Gesicht, die formlose braune Strickjacke und den praktischen, schlichten Wollrock, den ich trug. Mein Hut und meine Schuhe waren längst aus der Mode, meine Bluse selbst genäht. Amüsiert beobachtete sie, wie ich rot wurde. Ich fühlte mich so unbeholfen!
    »Birdie, das ist Pearl«, Maxwell zögerte einen winzigen Augenblick lang, »meine Frau. Und das hier sind meine beiden Töchter. Thomasina und Marguerite. Mädchen, sagt hallo!«
    Natürlich war diese glamouröse Erscheinung seine Frau. Selbst während dieses ersten kurzen Treffens, als wir etwas linkisch beisammenstanden, spürte ich, dass Pearl viel härter war als Enid. Ich fragte mich insgeheim, ob Maxwell wohl so von ihrer Schönheit geblendet gewesen war, dass er den stählernen, trotzigen, herausfordernden Geist falsch

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