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Dornentöchter

Dornentöchter

Titel: Dornentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josephine Pennicott
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glaube, sie ist mega-eifersüchtig auf meine Urgroßmutter, denn Thomasina ist kein bisschen hübsch. Sie sieht aus wie eine Kartoffel auf zwei Beinen mit Strickjacke drüber. Ihr Kleidungsstil ist der Hammer und sie hat Barthaare! Voll eklig!
    Ich hoffe, dass ich den Geist finde, bevor die Schule anfängt. Auf die Schule freue ich mich so was von überhaupt nicht! Mum wollte, dass ich in Launceston aufs Internat gehe, aber ich bin total durchgedreht, als sie mir das gesagt hat. Ich würde am liebsten hierbleiben und Hausunterricht bekommen. Ich glaube, das wäre cool, aber Mum sagt, das geht auf keinen Fall. Also habe ich beschlossen, dass ich vielleicht an die Burnie High gehe. Das ist eine gemischte Schule mit Jungs und Mädchen. Davor hab ich eine Scheißangst!
    Abgesehen davon stopfe ich mich pausenlos voll. Das Essen ist hier echt total gut! Fish and Chips, frische Krebse und anderes Meeresgetier – göttlich. Abends hab ich sogar mal Kartoffelbrei gegessen. Selbst Pastinaken schmecken hier lecker! Ich hätte nie gedacht, dass Gemüse so klasse schmecken kann! Vom Kartoffelbrei habe ich nur ein paar Löffel gegessen, aber ich hab mich trotzdem schlecht gefühlt. Ich hab zwar nicht den Finger benutzt – mein alter Trick –, aber dafür mehr Sport gemacht, um die Ausrutscher auszugleichen. Ich hab echt so Schiss, dass ich zunehme. In Pencubitt scheint es eine Menge fetter Frauen zu geben. Die sind alle total süchtig nach Kohlehydraten. Vermutlich liegt’s am Wetter, denn es ist wirklich saukalt. Es macht Mum glücklich, wenn ich esse, und weil sie mit meiner Magersucht so viel hat durchmachen müssen, versuche ich mein Bestes, alles drinzubehalten.
    Bisher hab ich noch keine süßen Jungs entdeckt – die Stadt ist so klein. Hier gibt es haufenweise alte Leute. Im Vergleich dazu sieht man in Sydney kaum alte Leute. Warum wohl? Neulich haben wir eine alte Dame getroffen, Birdie Pinkerton. Mum mag sie total, aber ich fand sie ein bisschen unheimlich. Ihre Augen schauen direkt in einen hinein. Findet ihr nicht auch, dass ältere Menschen manchmal ein bisschen seltsam sein können?
    Und wenn wir schon von gruselig sprechen: Meine Urgroßmutter wurde genau hier im Keller dieses Hauses mit einem Messer getötet. Echt, kein Witz.
    Lasst mich wissen, was in Sydney los ist. Falls irgendeiner von euch das liest und falls ihr mich noch nicht vergessen habt: Ich vermisse euch, Leute!
    Betty hielt inne und löschte dann die letzten beiden Sätze. Wem wollte sie etwas vormachen? Sie vermisste ihre sogenannten »Freunde« nicht wirklich, und vermutlich würde keiner von denen ihren Blog lesen. In der St. Catherine’s Highschool war sie das Gespött ihrer Mitschülerinnen gewesen, ausgelacht und ausgegrenzt. Die Mädchen hatten sie höchstwahrscheinlich längst vergessen. Sie sollte den Blog einstampfen …, aber andererseits war es eine kreative Beschäftigung und vielleicht las ihn jetzt gerade irgendein süßer Kerl in Deutschland und verliebte sich in sie.
    Während Betty die Nachricht auf ihrem Blog postete und dann den Computer herunterfuhr, saß Sadie im Bett gegenüber, das Netzespinnerin -Manuskript auf dem Schoß, und genoss das stürmische Wetter draußen, das seit ihrer Heimkehr heftiger geworden war.
    In Birdies Blick hatte etwas Wissendes gelegen, als sie Sadie das Manuskript übergab. Enthielt dieser erste Entwurf das Geheimnis, was mit Pearl geschehen war? Sadie hoffte inbrünstig, einen Hinweis darauf zu finden, warum ihre Großmutter im Keller des Poet’s Cottage so grausam zu Tode gekommen war. Erstaunt darüber, wie anders die ersten Absätze im Vergleich zur veröffentlichten Version waren, begann sie zu lesen.

KAPITEL 4
Die Netzespinnerin: Eine tasmanische Geschichte, gesponnen von Birdie Pinkerton
Pencubitt, 1936
    Ich werde nie vergessen, wie ich Pearl Tatlow das erste Mal sah. Sie spazierte die High Street hinunter und war gekleidet, als sei sie direkt einem der Kaufhauskataloge entstiegen, über denen Mutter und ich brüteten, während wir uns ein anderes Leben erträumten. Pearl trug einen Filzhut für Männer – für unsere kleine Stadt ein höchst unkonventioneller Kopfschmuck –, einen Fuchsschwanz über der Schulter, einen Rock, der nur einen Hauch unanständig kurz wirkte – er reichte fast bis zu den Knien – und modische, zweifarbige Schnallenschuhe. Um den Hals hatte sie eine Kette geschlungen, die nach echten Perlen aussah, und ihr Gesicht war mit Puder, Rouge und leuchtend rotem

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