Dornentöchter
in Pencubitt ist, die mich noch nicht besucht hat! Birdie, nicht wahr? Maxwells schriftstellernde Freundin?«
»Ja«, erwiderte ich, und weil ich das Gefühl hatte, die peinliche Stille füllen zu müssen, platzte ich heraus: »Meine Mutter ist gesundheitlich sehr angeschlagen. Ich habe mich um sie gekümmert.«
Pearls Miene zeigte deutlich, dass sie mir nicht glaubte. »Sie sehen gar nicht aus wie eine Birdie«, stellte sie gedehnt fest und musterte mich dabei von oben bis unten. »Ich glaube, ich werde Sie Tricky nennen.« Ich blinzelte, verwirrt von ihrer Exzentrik und Freundlichkeit. »Wer ist denn dieser kleine Kerl?« Sie zeigte auf Snowy. »Ein West-Highland-Terrier, richtig?«
»Das ist Snowy.«
»Genau richtig für einen Spaziergang, nicht wahr? Ich mag diese Tageszeit besonders gern. Man spürt förmlich, wie sich die Geister sammeln. Zwielicht. Eine gefährliche Zeit, in der man ausrutschen und zwischen den Welten verlorengehen könnte. Halten Sie das für abstrus, Birdie?«
»Nein«, erwiderte ich wahrheitsgemäß und bestaunte ihre Schönheit, jetzt wo ich sie direkt vor mir hatte. Ihre Haut war fast durchsichtig, ihre Augen hatten die Farbe von klarem grünem Glas.
»Das hatte ich mir gedacht.« Sie sah mich aufmerksam an. »Sie sind schüchtern«, verkündete sie. »Das gefällt mir. Ich mag schüchterne Menschen.«
Ich spürte, wie mein Gesicht vor Peinlichkeit und so etwas wie Freude anfing zu glühen.
»Ich bin auch schüchtern, deshalb verstehe ich das«, fuhr sie fort.
Natürlich glaubte ich ihr nicht. In diesem Augenblick war ich viel zu sehr von ihrem Glanz verzaubert, so in ihren Bann gezogen, um in Erwägung zu ziehen, dass ihre Worte womöglich wahr sein könnten. Zu dieser Zeit war ich naiv genug zu glauben, dass Schönheit alles ausglich. In meiner Vorstellung bluteten schöne Leute nicht, sie waren unverwundbar und weinten nicht einmal.
»Wenn Ihnen je nach einem Besuch bei mir ist, sind Sie herzlich willkommen«, sagte sie.
Der Wind riss ihre Worte weg, und ich fragte mich, ob ich sie richtig verstanden hatte. Sie beugte sich hinunter, um Snowy zu streicheln, der seine Eskapaden unterbrochen hatte und hechelnd zu ihren Füßen saß. Als sie sich wieder aufrichtete, glaubte ich eine Spur Traurigkeit in ihren Augen zu sehen. »Ich bin hier heruntergekommen, um nachzudenken«, sagte sie. »Ich musste einfach raus. Es kam mir vor, als würde mein Kopf in einem dunklen Schraubstock stecken. In einer furchtbaren eisernen Hand, die jeden guten Gedanken erstickt. Zu viele Geister aus meiner Vergangenheit sind mir nach Pencubitt gefolgt. Sie scheinen ein vernünftiges, kluges kleines Ding zu sein. Glauben Sie an Gott, Birdie?«
Ich hatte keine Ahnung, was ich darauf antworten sollte. »Ich weiß es nicht«, sagte ich. »Vielleicht nicht an den Gott, an den die meisten Leute glauben.« Es war eine Frage, über die ich schon oft nachgedacht hatte, während ich am Strand entlangging oder im Gottesdienst saß. Ich wäre jedoch nie mutig genug gewesen, sie einem anderen Menschen zu stellen.
»Wenn es einen Gott gibt, dann muss er ein Monster sein«, stieß Pearl heftig hervor. »Die Dinge, die er uns ertragen lässt. Gott muss ein böser, gefühlloser, müder alter Mann sein.«
»Der Mensch hat seinen freien Willen«, fand ich schließlich die Sprache wieder, obwohl ich beim Sprechen vor Nervosität zitterte. »Gott hat uns als sein Ebenbild erschaffen, aber der Mensch hat ein Gehirn, um sein eigenes Schicksal zu gestalten. Das war die Vertreibung aus dem Garten der Lüste.«
»Dann ist Gott schlimmer als böse, dann ist er wirkungslos. Seine Schöpfung hat ihn verdrängt. Gott ist tot.« Pearl nickte ein paar Mal. Dann nahm sie ein Päckchen Zigaretten aus ihrer Tasche und bot sie mir an (ich lehnte ab). Sie steckte eine in eine schwarze Zigarettenspitze und zündete sie an. Während ich beobachtete, wie sie den Rauch in einem langen, eleganten Atemzug ausstieß, schwor ich mir, das zu Hause auch zu üben, obwohl ich bezweifelte, dass ich je Pearls mühelose Perfektion erreichen würde.
Dann sprach sie weiter. »Ich bin an diesen Strand gekommen und in meiner Verzweiflung habe ich etwas versucht, was manche Leute als Gebet bezeichnen würden. Ich habe um Hilfe gebeten, um einen Engel, und dann sind Sie aufgetaucht, Miss Birdie.« Sie richtete ihren intensiven Blick auf mich. »Ich glaube, Sie sind die Antwort, Birdie. Das Zeichen, auf das ich gewartet habe.«
Dann tat sie etwas
Weitere Kostenlose Bücher