Dornentöchter
Schicksal dafür sorgen würde, dass ich die anderen Gäste nach diesem Abend nie mehr in diesem Raum versammelt sehen würde. Es gab keinen Hinweis darauf, dass es sich um das letzte Treffen handelte.
Teddy, dessen Gesicht vom Alkohol gerötet war, verriet seine Leidenschaft jedes Mal, wenn er Pearl ansah. Ich hatte damals keine Ahnung, dass ich ihn das nächste Mal am Strand würde liegen sehen, vom Meer der Augen beraubt, während winzige Krabben aus seiner Nase krabbelten.
Selbst Marguerite, die normalerweise ein überaus freundliches Kind war, schien etwas von der Atmosphäre aufgesogen zu haben, denn sie war mürrisch und griesgrämig. Als Angel sie nach oben ins Bett schickte, damit der Weihnachtsmann sie in der Nacht besuchen konnte, brüllte sie: »Ich muss nicht tun, was du mir sagst! Du bist nicht meine Mutter. Und Mummy sagt, nach Weihnachten bist du sowieso nicht mehr hier!«
»Und darüber sind wir froh«, fügte die grässliche Thomasina hinzu, die stets dazu bereit war, die Erwachsenen zu bekriegen, selbst ihre angebetete Angel. »Weil du nach Kacka stinken tust!« Die Mädchen lachten sich kaputt, und Angel sah aus, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen. Sie tat mir beinahe leid, als ich sah, wie sie zitterte. Dem kleinen Dummchen Angel war offenbar nicht in den Sinn gekommen, dass ihre Liaison mit Maxwell bei seiner Frau vielleicht nicht so gut ankam. Es war jedenfalls klar, dass die Nachricht ihrer Entlassung ein Schock für sie war. Violet lachte gemeinsam mit den Mädchen.
Nachdem Maxwell darauf bestanden hatte, dass sie sich bei Angel entschuldigten, schleppte er seine Töchter nach oben ins Bett. Pearl sah Angel mit einem seltsamen Lächeln an. Da begriff ich, dass Pearl das Mädchen hasste, obwohl ich den Grund dafür nicht ganz nachvollziehen konnte. Pearl schien nie sonderlich interessiert an Maxwell zu sein, dafür war sie viel zu sehr mit Teddy beschäftigt. Eigentlich hätte sie doch froh sein müssen, dass Maxwell abgelenkt war, damit sie weiterhin ihre eigene Affäre genießen konnte. Selbst zu diesem Zeitpunkt hatte ich Pearls narzisstische Persönlichkeit immer noch nicht ganz begriffen: Kaiserin Pearl duldete keine Konkurrentinnen an ihrem Hof.
Den Blick immer noch auf Angel gerichtet, flüsterte Pearl Teddy kichernd etwas ins Ohr. Violet stand auf und tanzte alleine Walzer durchs Zimmer, und ihr weiter lavendelfarbener Rock schwang dabei um sie herum. Ich musste ihr eine Warnung zurufen, als sie einer brennenden Kerze gefährlich nahe kam. Sie lachte, warf den Kopf in den Nacken, schloss die Augen und tanzte weiter. Sie war jung und glaubte, sie würde ewig leben und raschelnde Röcke tragen. Sie setzte ihren einsamen Tanz fort, lachte leise in sich hinein und erklärte uns, sie tanze mit Clark Gable.
Das Zimmer um mich herum befand sich in seinem üblichen chaotischen Zustand: Die Spielkarten der Kinder lagen zusammen mit ihren Spielsachen über den Boden verteilt. Auf jeder freien Fläche stapelten sich Bücher und zerfledderte Kinderzeitschriften, darunter Peg’s Paper und Schoolgirl’s Own . An der Wand hing ein präparierter Hirschkopf neben einem großen gekreuzigten Jesus. Darunter lehnten einige gerahmte Schwarzweißfotografien an der Wand, die ich nur als schlüpfrig bezeichnen konnte – nackte Showgirls aus Paris, die für Thomasina und Marguerite frei sichtbar waren. Wenn Mutter diese sähe, würde man sie aus dem Zimmer tragen müssen! Einst hatte mich die Unordnung im Haus fasziniert. Ich hatte sie als befreiend erlebt und den sauberen, aufgeräumten, langweiligen Haushalten, in denen ich aufgewachsen war, vorgezogen. Nun sehnte ich mich nach den schlichten, unkomplizierten Behausungen der Einheimischen von Pencubitt. Es gab zu viel, was ich an den Spannungen, die im Poet’s Cottage wie Pfeile umherflogen, nicht verstand oder was mir nicht gefiel.
Plötzlich durchbrach eine Stimme die Musik. »Ich muss mit Ihnen sprechen.« Wir alle starrten Angel an, schockiert, dass sie so viele Worte ungefragt von sich gegeben hatte.
Pearl ignorierte sie. Sie flüsterte Teddy wieder etwas ins Ohr, der daraufhin lachte. Ich beobachtete, wie seine Hand weiter ihren Oberschenkel hinaufwanderte.
Violet sah Angel erstaunt an, während sie eine Pirouette drehte.
»Haben Sie mich gehört? Ich sagte, ich muss mit Ihnen sprechen«, beharrte das arme Mädchen. Ich spürte, wie ich errötete, so sehr schämte ich mich für sie. Ich konnte nicht fassen, dass sie die
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