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Dornentöchter

Dornentöchter

Titel: Dornentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josephine Pennicott
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nicht erwünscht bin. Meine Mum wird mich zurücknehmen. Sie weiß, wie Sie sind. Die ganze Stadt spricht über Sie. Man nennt Sie eine dreckige Hure, die hinter Maxwells Rücken mit allen Fischern schläft. Sie glauben, Sie sind so supertoll mit Ihren blöden Büchern. Was für eine Kinderbuchautorin sind Sie überhaupt! Sie kümmern sich ja nicht mal um Ihre eigenen Töchter.« Sie stürmte aus dem Zimmer. Sobald sie weg war, vermieden wir es, Pearl anzusehen.
    Ich überlegte mir gerade, wie ich mich verdrücken könnte, als Pearl sagte: »Die Stadt hat mehr Phantasie als ich. Wo um alles in der Welt sollte ich die Zeit oder Energie hernehmen, mit all diesen Männern zu schlafen? Dieses dumme Gör ist so hinterhältig wie noch was. Seit sie hier ist, verschwindet plötzlich mein Parfüm oder Kleingeld, wofür es keine Erklärung gibt. Violet, du hast mich vor ihren diebischen Fingern gewarnt. Sie wagt es, mich eine Hure zu nennen, nachdem sie unter meinem eigenen Dach meinen Mann verführt hat?« Dann wandte sie sich an Maxwell. »Und du, sitzt hier und zitterst wie Wackelpudding. Du hast mich überhaupt nicht verteidigt, du feiger, rückgratloser Kerl! Sieh nur, in was für ein Schlamassel du uns gestürzt hast!«
    Ich stellte mein Glas ab und verabschiedete mich hastig. Ich hatte Pearl noch nie so wütend gesehen, und ich schämte mich für Maxwell. Warum bot er ihr nicht Paroli? Seit Monaten stolzierte sie vor ihm mit diesem Fischer herum! Obwohl ich bei Angels Demütigung mitgemacht hatte, war mir unangenehm bewusst, dass leicht auch ich an ihrer Stelle hätte stehen können. Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein. Ich war nicht ohne Sünde – das wusste ich. Ich hegte mein eigenes schmutziges Geheimnis, und auch wenn ich mir vielleicht einbildete, den anderen moralisch überlegen zu sein, so hatte der Ausdruck in Angels Blick mir doch die Wahrheit gezeigt: Ich war nicht besser als sie. Ich wollte raus aus Poet’s Cottage – in seinem Dunst aus Leid und Zorn meinte ich zu ersticken. Ich wollte reine Nachtluft atmen und die glitzernden Sterne über mir betrachten. Wenn ich noch länger in diesem Haus des Schmerzes bliebe, wäre ich ebenso verloren wie die Menschen um mich herum.
    Pearl akzeptierte jedoch meinen gestammelten Abschiedsgruß nicht, sondern zerrte mich in die Küche. Lächelnd lehnte sie sich an den Esstisch. Ihre dünnen Arme hatten blaue Flecken und ihre Haut wirkte gelblich. Ich roch den Alkohol in ihrem Atem.
    »Die Mädchen trauen sich nicht mehr, in meinen Keller hinunterzugehen, weil ich ihnen gesagt habe, dass da unten ein Tasmanischer Teufel haust«, sagte sie. »Du würdest mir nicht glauben, was sich in Wirklichkeit dort unten verbirgt!« Sie fuchtelte mit dem Zeigefinger vor meinem Gesicht herum. »Ich würde es dir ja sagen, aber du hast wieder diesen langweiligen sauertöpfischen Gesichtsausdruck. Nein, ich sage nichts, bevor du nicht diese gequälte Alte-Jungfern-Miene ablegst!« Plötzlich griff sie nach mir und drückte mich kurz an sich. Meine Nase wurde gegen ihr dunkles Kleid gepresst, und ich roch den vertrauten Duft ihres Parfüms. Ihre Knochen fühlten sich so zerbrechlich an.
    »Bist du des Lebens manchmal auch so müde, dass du es einfach nur beenden willst?«, flüsterte sie. »Oder hast du genug Hoffnung, dich an dem festzuhalten, was du nicht weißt …« Pearl sprach weiter; was sie sagte, wurde immer zusammenhangsloser, und sie brabbelte von Poesie und dem Ozean und ihrer Mutter. Sie redete von den Ereignissen in Europa und dass sie diese nicht ertrug, dass sie nachts nicht schlafen konnte, weil sie daran denken musste, wie die Juden in Deutschland behandelt wurden. »Die Welt spielt verrückt!«, wimmerte sie. »Was da passiert, ist bösartig, und niemanden hier scheint das zu kümmern! Wir werden Zeugen, wie eine ganze Rasse zu Flüchtlingen wird – der Wahnsinn steckt uns alle an! Aber schert das die schläfrigen Menschen in Pencubitt, Tricky? Dingsbums McDonald, der Hochkommissar des Völkerbundes, ist aus Protest von seinem Amt zurückgetreten. Aber kümmert das irgendjemand hier am Ende der Welt, was das Dritte Reich macht? Sie interessieren sich viel mehr für den Mehlpreis und den Stuhlgang ihrer Nachbarn.«
    Pearl hatte sich beim Sprechen so sehr hineingesteigert, dass sie sich selbst ohrfeigte, um sich zu beruhigen. Nicht zum ersten Mal machte ich mir Sorgen um ihren Verstand und überlegte, Maxwell zu rufen. Als sie meinen fragenden Ausdruck

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