Dornentöchter
das ich nach einem Buttericks-Schnittmuster genäht hatte, dazu ein neues Paar weißer Pumps, für die ich fast das ganze Jahr hatte sparen müssen. Carole Lombard hatte in einer Zeitschrift etwas ganz Ähnliches angehabt. Dazu trug ich einen weißen Strohhut und Handschuhe, und als ich in den Spiegel sah, fand ich mich fast hübsch. Mein Haar, das ich tags zuvor mit Stofffetzen aufgewickelt hatte, fiel in glänzenden, braunen Wellen herab. Ich wagte sogar, etwas Rouge auf meine Wangen und Lippen aufzutragen, in der Hoffnung, dass Mutter es nicht bemerken würde.
Sie blickte finster drein, als sie sah, wie ich mich im Spiegel bewunderte. »Eitelkeit ist eine Sünde.«
Father Kelly holte uns zu Hause ab, um Mutter zu begleiten. Er war mürrisch und ernst wie immer, machte mir jedoch ein Kompliment über mein Äußeres. Er sagte, er möge Blau an jungen Frauen. Wir trugen Körbe mit Scones, Sandwichs mit Fischpaste und Tomaten sowie einen Victoria-Biskuitkuchen, den wir für das Picknick gebacken hatten.
Als wir das Gelände betraten, die Girlanden ringsherum in den Bäumen und die vielen Menschen sahen, alle fein herausgeputzt, empfand ich die vertraute Begeisterung. Überall konnte man die freudige Erwartung der Dorfbewohner spüren: Ein neues Jahr war angebrochen mit dem Versprechen, dass die Dinge sich bessern würden. Wie zur Verstärkung unserer optimistischen Gefühle schien die Sonne von einem aquamarinblauen Himmel herab. Nachdem wir unseren Beitrag zum Picknick im entsprechenden Zelt abgeliefert hatten, ließ ich Mutter mit einer Flasche Limonade und einigen ihrer Freundinnen im Schatten eines Baumes zurück und schlenderte zur Wurfbude hinüber, um mein Glück zu versuchen. Nie hatte ich meine Freude vergessen, als ich mit zwölf eine wunderschöne Feenpuppe an einem Stab gewann. Mutter nahm sie mir weg und gab sie der Kirche für ein kleines Mädchen, das ärmer war als ich. Monatelang weinte ich jeden Abend und sehnte ich mich nach dieser Puppe. Seitdem hoffte ich, meinen Triumph aus jenem Jahr zu wiederholen und meine kindliche Freude an einem wunderschönen Preis wiederzuerleben, so töricht mein Wunsch auch war.
»Na, wenn das nicht unsere blaue Birdie ist«, erklang eine vertraute Stimme. Ich erstarrte und verfluchte mich selbst, dass ich nicht bei Mutter unter dem Baum in Sicherheit geblieben war. Vor mir an der Bude stand Pearl, zusammen mit Violet, Maxwell und den beiden Mädchen. Thomasina sah mich über einen riesigen Schokoapfel hinweg finster an. Pearl küsste mich demonstrativ auf beide Wangen, während Maxwell mich begrüßte, ohne mir dabei in die Augen zu sehen. Ich spürte eine seltsame Anspannung und fragte mich, ob es wohl daran lag, dass ich seit jenem schrecklichen Heiligabend nicht mehr im Poet’s Cottage gewesen war. Maxwell war nicht mehr der Mann, wie ich ihn einst gekannt hatte, nicht nur in seiner äußerlichen Erscheinung – er wirkte hager und gealtert –, sondern auch in seinem jüngsten Verhalten Angel gegenüber. Pearl war schöner denn je in ihrem bodenlangen zitronenfarbenen Kleid mit breiten dunkelblauen Streifen, weißen Plateauschuhen und einer langen Perlenkette. Dazu trug sie einen leuchtend gelben Sonnenschirm. Ihr modisches Outfit zog viele Blicke auf sich. Einige Passanten lachten heimlich hinter vorgehaltener Hand.
Violet nickte mir zu, doch im Gegensatz zu unseren früheren Begegnungen machte sie keine Anstalten, mich in ein Gespräch zu verwickeln. Sie hielt Marguerite an der Hand und kicherte nicht wie sonst mädchenhaft. Als ich genauer hinsah, stellte ich fest, dass ihr Gesicht blass wirkte und sie dunkle Schatten unter den Augen hatte.
Ich kam mir komisch vor, wie ich da vor ihnen stand. Mit Ausnahme von Pearl taten sie alle so, als wollten sie nicht mit mir reden. Nachdem ich Pearl, die von ihrem neuesten Buch faselte, ein paar Minuten gelauscht hatte, entschuldigte ich mich unter dem Vorwand, Mutter etwas zu essen vom Buffet holen zu müssen.
Als ich durch die Menge davonging, fühlte ich mich unerträglich einsam. Trotz unserer unterschiedlichen Temperamente war es mir zu Beginn meiner Freundschaft mit Pearl vorgekommen, als hätte ich eine Geistesverwandte getroffen. Wie auch ich liebte sie Literatur, Poesie und die schönen Künste, und ich hatte geglaubt, unsere gemeinsame Begeisterung für Kultur würde eine Brücke zwischen den eher ungleichen Aspekten unserer Persönlichkeit bilden. Diese Brücke war nun eingestürzt, und ich fühlte mich
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